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Vernunft gegen Verfall

In Leipzig verfallen Straßenzüge, in Prag und Bratislava verwahrlosen Großwohnsiedlungen. Geld von der EU soll Eigentümer ermuntern zu investieren.

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© dpa

Das Lokal „Zum fröhlichen Zecher“ in Nummer 84 ist längst zu. In den Wohnungen darüber wohnt niemand mehr, die Fenster haben keine Scheiben, dicke Putzschichten sind von der Hauswand gefallen. In Nummer 120 gab es einst Pelze und Briefmarken, aber auch das lässt sich nur noch erahnen. Dutzende einst stattliche Gebäude sehen ähnlich schlimm aus. Die Georg-Schumann-Straße in Leipzig-Gohlis ist seit Jahren dem Verfall preisgegeben. Ihr soll nun, ebenso wie einer ähnlich unattraktiven Leipziger Magistrale, der Georg-Schwarz-Straße, ein EU-Projekt alten Glanz zurückbringen. Beide Straßen liegen in beliebten Wohngegenden von Leipzig, in denen wenige Meter weiter alles saniert ist.

Verfallene Wohngegenden in Leipzig, Prag, Sopot, Bozen und anderen europäischen Städten sollen im Zuge des EPOurban-Projekts schöner werden. Hinter der Abkürzung verbergen sich 13 Wörter, deren Bedeutung lässt sich so zusammenfassen: Hauseigentümern wird Beratung angeboten mit dem Ziel, dass sie in die heruntergekommenen Gebäude investieren. „Es geht darum, ihnen Wissen zu vermitteln, was man mit den Objekten machen könnte und wie man das finanziert bekommt“, sagt Projektkoordinatorin Jana Fischer.

In die vielen Leipziger Gründerzeitgebäude flossen Millionen, in vielen Gegenden steigen die Mieten deutlich, aber es gibt unweit davon einige Straßenzüge, die nicht weniger schlimm aussehen als zu DDR-Zeiten. 2010 – aktuellere Zahlen gibt es nicht – standen hier zehn Prozent der Wohnungen leer.

Beispiel Georg-Schumann-Straße: „Die Straße wirkt als Wohnstandort nicht sonderlich attraktiv, vor allem wegen des Lärms“, sagt Jana Fischer. Auch zum Einkaufen lockt die kilometerlange Hauptverkehrsstraße mit Straßenbahn lange nicht mehr. Dabei war sie zu DDR-Zeiten eine der beliebtesten Einkaufsstraßen in Leipzig“, wie Passanten berichten. Viele kleine Läden und Lokale verschwanden nach dem Fall der Mauer. Mehrere große Einkaufszentren entstanden. Jeder zweite der 210 kleinen Läden steht leer. Seit 2009 ist die Straße ein Schwerpunkt der Stadtentwicklung, es gibt ein Magistralenmanagement und Investitions-Anreize für Geschäftsleute. Motto: „Geschäftig. Spannend. Sozial“.

In den etwa 800 Häusern gibt es knapp 5.000 Wohnungen. 50 Prozent sind teilsaniert, 25 Prozent unsaniert, viele unbewohnt. Die Eigentümer kommen teils aus Leipzig, teils aus anderen Bundesländern und zunehmend aus dem Ausland. Auch arabische und irische Käufer sind darunter. Teils haben die Besitzer die Wohnungen erst jüngst bei Zwangsversteigerungen erworben. „Manche besitzen ein Haus und sind selbst pleite“, sagt die Projektkoordinatorin.

30 Fachleute – darunter Architekten, Dachdeckermeister, Bausachverständige und Ingenieure – sollen nun die Hauseigentümer beraten. Sie werden aus dem EU-Topf bezahlt. „Pro Objekt haben wir durchschnittlich 2 500 Euro für die Beratung zur Verfügung. Zehn bis 15 Beratungsfälle soll es pro Jahr in jeder Stadt geben“, so Fischer.

Die Probleme liegen in jeder Stadt anders. So gehe es in Sopot (Polen) vor allem ums denkmalgerechte Sanieren. In Prag und Bratislava stünden in Großwohnsiedlungen viele Wohnungen leer, die jeweils anderen Eigentümern gehörten. Und in Celje (Slowenien) sind die Sanierungskosten so hoch, dass sich private Eigentümer diese nicht leisten können. (dpa)