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Verkehrszählung am Krötentunnel

Finden die Tiere den Weg durch die teuren Tunnel bei Lichtenhain? Das untersuchen jetzt Wissenschaftler.

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© Dirk Zschiedrich

Von Dirk Schulze

Sebnitz. Grüne Fangzäune stehen auf der Wiese, im Morgengrauen hantieren Männer und Frauen mit Eimern am Straßenrand. Das Tunnelsystem, das Kröten, Frösche und Molche sicheren Fußes unter der Staatsstraße zwischen Lichtenhain und Sebnitz hindurch zu ihren Laichplätzen geleiten soll, hat knapp 900 000 Euro gekostet. Werden die Kröten jetzt etwa trotzdem wieder über die Straße getragen?

Dieses Pärchen hat sich schon gefunden. Die meisten Erdkröten sind jedoch noch allein auf dem Weg durch die Tunnel in Richtung Paarungsteich.
Dieses Pärchen hat sich schon gefunden. Die meisten Erdkröten sind jedoch noch allein auf dem Weg durch die Tunnel in Richtung Paarungsteich. © SZ/Dirk Schulze

Nein, werden sie nicht. Die Kröten müssen weiterhin selbst durch die Tunnel kriechen. Zwischendrin machen sie allerdings unfreiwillig Rast. An der Amphibienschutzanlage läuft gerade eine langfristig angelegte Untersuchung, die herausfinden soll, wie gut die Anlage funktioniert. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr hat damit das auf Artenschutz spezialisierte Ingenieurbüro Pro Bios beauftragt.

Messen, wiegen, zählen

Am Ausgang jeder der insgesamt 17 Röhren haben die Fachleute Folienzäune aufgestellt und Eimerfallen in die Erde eingegraben. Damit werden die Lurche bei ihrer meist nächtlichen Wanderung aufgehalten. Jeden Morgen kommt ein Mitarbeiter des Ingenieurbüros und leert die Eimer aus. Er zählt, bestimmt, vermisst und wiegt die Tiere. Dann werden sie wieder in die Freiheit entlassen und können ihren Weg zu den Laichgewässern fortsetzen. Die wissenschaftliche Auswertung der Daten zeigt später, wer da so unterwegs ist in den Krötentunneln.

Dass die Tiere ihren Weg durch die Tunnel finden, steht für den Leiter der Untersuchung außer Frage. „Die Anlage funktioniert auf jeden Fall“, sagt Wolfgang Hahn, Chef des beauftragten Ingenieurbüros. „Ob für alle Arten, werden wir noch herausfinden.“ Bis jetzt haben die Forscher schon mehrere Hundert Tiere registriert, vorrangig Erdkröten, aber auch Bergmolche, Teichmolche, Grasfrösche und Springfrösche. Neben den Lurchen sind es dem Fachmann zufolge auch Füchse, Dachse und verschiedene Marderarten, die durch die Öffnungen unter der Fahrbahn laufen.

Zu allererst sind die Tunnel jedoch für die Kröten, Frösche und Molche aus dem Hochbusch gedacht, die sich jedes Frühjahr auf den Weg zu den Teichen im Tal machen, um sich dort zu paaren. Dabei müssen sie die Staatsstraße S 154 überqueren. „Amphibien sind die bedrohtesten Wirbeltiere, die wir weltweit haben“, erklärt Diplom-Ingenieur Hahn. Auf der Roten Liste gefährdeter Arten machen sie fast ein Viertel aus, gemessen an der Gesamtartenzahl ist das überproportional viel. Dass die Straßenbauämter in Deutschland solche Tunnelanlagen bauen lassen, sei ein Ergebnis weltweiter Schutzbemühungen. Eine Zählung von 2011 hat ergeben, dass in dem Gebiet jedes Jahr mehrere Tausend Kröten unterwegs sind. Gerade weil es so viele sind, wurde die Anlage gebaut.

Die hohen Kosten von 864 000 Euro sind durch mehrere Faktoren zusammengekommen, erklärt Wolfgang Hahn. Prinzipiell sei Ingenieurbau immer teuer. Erschwerend kam das schwierige Gelände am Hang hinzu. Den Preis hätten aber zusätzlich die speziellen Gräben und Durchlässe für das Wasser hochgetrieben. Denn die Tunnelröhren dienen gleichzeitig zur Entwässerung der Straße, was langfristig wiederum Unterhaltskosten für diese spare. Eine reine Amphibienschutzanlage wäre nicht so teuer gewesen.

Im Huckepack zum Teich

Die aktuelle Untersuchung bringt noch weitere Erkenntnisse. Durch das Messen und Wiegen der Kröten erhalten die Forscher einen Überblick darüber, wie gut die Kröten im Hochbusch über den Winter kommen. Wenn viele ausgelaugte und schwache Tiere dabei sind, ist das ein Hinweis darauf, dass etwas in ihrem Lebensraum nicht stimmt, erklärt Wolfgang Hahn. Auch auf Krankheiten wie Pilze oder Parasiten werden die Tiere kurz untersucht. Bis jetzt sei der Großteil gesund gewesen, sagt Hahn. Nur Einzelne waren zu ausgemergelt.

Die weiblichen Erdkröten wiegen um die 40 Gramm und messen von der Schnauze bis zum Ende der Wirbelsäule zehn bis elf Zentimeter. Die deutlich kleineren Männchen sind nur sechs bis sieben Zentimeter lang und wiegen etwa 25 Gramm.

„Bei Pärchen nehmen wir das Gesamtgewicht“, sagt der studierte Landschaftsarchitekt und Umweltplaner Hahn. Die Männchen krallen sich fest an den Rücken ihrer Partnerin, die sie im Huckepack bis zum Paarungstümpel trägt. Die meisten Erdkröten sind jedoch noch allein unterwegs. Sie finden ihren Partner erst vor Ort am Teich. Dort legen die Weibchen die charakteristischen Laichschnüre ab.

Die Krötenwanderung läuft noch bis Anfang Mai. Dann ist ein paar Wochen Pause, in denen die Kaulquappen schlüpfen. Ab Anfang Juni wandern die alten Kröten und ihre Jungtiere in Massen zurück auf den Berg. Dann wird wieder gezählt.