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Verkehrsprognose setzt noch eins drauf

Dass zwei Familien gegen den geplanten Burger King vor ihrer Haustür protestieren, wird vom Stadtrat abgetan. Dabei verkennt der ein viel größeres Problem.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Wie sauer Großenhains Oberbürgermeister Sven Mißbach an diesem Abend war, hat er selbst klargemacht. Als Heiko Winkler ihm in Sachen „geplanter Burger King & Tankstelle“ sagte, dass sich seit der letzten Stadtratssitzung niemand aus dem Rathaus oder von den Stadträten mal bei ihm gemeldet habe – konterte der OB prompt, darüber müsse er sich schließlich nicht wundern, wenn er im Stadtrat demonstrativ 20 Burger-King-Kronen auf den Tisch lege, um seine Protestrede zu untermalen. Allerdings war die jetzige Stadtratssitzung kommunikativ auch nicht glücklicher.

Die Wortmeldung von Marit Winkler zur B101 vor ihrer Haustür erscheint in einem ganz anderen Licht.
Die Wortmeldung von Marit Winkler zur B101 vor ihrer Haustür erscheint in einem ganz anderen Licht. © Anne Hübschmann

Der Großenhainer Autohändler von der Elsterwerdaer Straße bekam den OB nämlich just mit seinem eigenen Argument „Die Jugendlichen wünschen sich ein Fast-Food-Restauarnt“ zu fassen. Seit der letzten Sitzung hatte er sich auf privatem Wege schlaugemacht und siehe da: Von 90 befragten Schülern gaben vier auf die offene Frage, was sie sich in Großenhain wünschten an, einen Mc Donalds oder Burger King. Die Umfrage wurde von November 2012 bis März 2013 am Gymnasium und den beiden Oberschulen durchgeführt.

Geplänkel mit dem Bürger

Kein Wunder, dass der OB zunächst mit einer Antwort herumdruckste und gegenfragte, welche Rolle es denn spiele, wie viele Jugendliche sich ein Fast-Food-Restauarnt gewünscht hätten. Und natürlich sei das nicht ausschlaggebend gewesen, so der OB. Sicher ist das so, doch der OB hatte sich zuletzt eben auch auf diese Studie berufen. Solcherlei Geplänkel mit dem Bürger, der mit konkreten Fragen in den Stadtrat kommt, macht mancherlei klar.

Erstens: Ein Eingehen auf sein Problem kann der Bürger offenkundig nur erwarten, wenn er sich entsprechend wohl verhält – was immer das sein mag. Zweitens, und da wird es für sehr viele Großenhainer urpraktisch, die Plänkelei verdeckt ein viel größeres Problem, das gleich mit abgetan wurde: die Verkehrsbelastung auf der innerstädtischen B 101. Denn es ist beileibe nicht nur die persönliche Betroffenheit der Familien Winkler und Knigge, wegen einer Tankstelle und einem Burger King, zu thematisieren. Zwar mussten einige Zuhörer durchaus schmunzeln, als auch (nur) zwei Stadträte an anderer Stelle ihre Betroffenheit anmeldeten, man wolle keinen Autotunnel an der Berliner Straße mehr – weil sie dort wohnen.

Aber es geht eben um mehr. Denn just in der gleichen Sitzung stellte Ansgar Kaup vom Görlitzer Planungsbüro Richter und Kaup die Verkehrsprognose für den geplanten „Industriepark Flugplatz“ vor. Bekanntlich will der Freistaat Sachsen auf seine 230 Hektar große Nordfläche eine Industrieansiedlung bringen – auf 145 Hektar bebauter Fläche. Dass Stadtrat Thomas Proschwitz Großenhain perspektivisch schon mal mit dem taghellen Nünchritz verglich, weil auch die Chemiebranche infrage kommt, ist die nächste Baustelle. Doch wer auch immer kommt, jede Ansiedlung dieser Größenordnung bringt auch Verkehr in solcher Größenordnung mit sich.

Planer Ansgar Kaup nannte eine Zahl: 6525 Fahrzeuge sind nach seinen rechnerisch durchgespielten Szenarien zu erwarten. Zusätzlich zum jetzt schon vorhandenen Verkehrsaufkommen wohlgemerkt. Weil sich der Fahrzeugstrom auf die zwei Verkehrsachsen B 98 und B 101 konzentriert, ergibt sich folgendes Bild: Von Thiendorf kommend könnten Fahrzeuge dann die jetzt schon vorhandene Abfahrt Flugplatz auf der Ortsumgehung nutzen.

Die Nord-Süd-Verbindung über die B 101 führt jedoch mitten durch die Stadt. Da tröstet auch eine geplante dritte Flugplatzabfahrt an der B 101 in Höhe Spitalteich nicht und keine neue Ampel „Am Fliegerhorst“. Denn es bedeutet: Das Verkehrsaufkommen wird auf der gesamten B 101, vor allem aber an Dresdner Kreuzung, Steinweg, Radeburger Platz und der Elsterwerdaer Straße im Falle einer Industrieansiedlung drastisch zunehmen. Dann sind laut Planer 7900 bis 10 900 Fahrzeuge täglich in Richtung Stadt unterwegs.

Dazu dürfte der Rückstau von der Auf- und Abfahrt zur Ortsumgehung der B 98 hinzukommen. Und so wird aus einem vermeintlichen Privatproblem eine ernste Stadtangelegenheit. Vor gut fünfzehn Jahren gab es Ideen eine neue B 101 entlang der Bahnstrecke zu trassieren. Dazu ist es nie gekommen und das alte Problem „Verkehrsbelastung auf der innerstädtischen B101“ holt Großenhain wieder ein.