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Verkaufsschlager Umgebinde

Auch in diesem Jahr gibt’s wieder Preise für vorbildliche Sanierer. Die kommen immer häufiger aus der Ferne.

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© Rafael Sampedro

Von Anja Beutler

Oberland. Ob da einer dabei ist? Ein neuer Investor für ein Umgebindehaus? Diese Frage beschäftigt so manchen Obercunnersdorfer, wenn Reisegruppen den Ort erkunden oder viele Schaulustige zum Tag des Umgebindehauses ihre Nase zu den Türen hineinstecken. Eine Seltenheit ist es inzwischen jedenfalls längst nicht mehr, dass Käufer von außerhalb ein Umgebindehaus erwerben und sanieren – sei es als Alterssitz, Wochenend- oder Ferienhaus.

Hans-Joachim Roth, der schon viele Gäste durch Obercunnersdorf geführt hat, jedenfalls kennt mehrere Fälle, in denen Rentner ein Haus saniert haben und jetzt hier wohnen. Ist Obercunnersdorf also eine Art Pensionopolis für Fachwerk-Fans? „Das nicht“, sagt Roth und lacht. Aber in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren habe sich eine „sympathische Kette“ aufgebaut, erklärt er. Verkettet mit dem Ort sind auffallend oft Berliner oder Brandenburger. Die Erklärung dafür ist simpel: „Das liegt an der Spree“, sagt Roth. Viele seien als Tourist gekommen, um die Spreequellen zu sehen, und haben sich in die Umgebindelandschaft verliebt. Mit jedem sanierten Haus steige der Ruf der Region und des Umgebindes – eine Kettenreaktion eben.

Die kennt auch Arndt Matthes von der Stiftung Umgebindehaus. Der Geschäftsstellenleiter hat am vorigen Wochenende die Gewinner des mit 7 000 Euro dotierten Umgebindehauspreises ausgezeichnet. Und nicht zum ersten Mal waren Bauherren dabei, die sich aus der Ferne in ihr Häuschen verliebt und es dann erneuert haben. So wie Kerstin und Gregor Mrass, die derzeit in Frankfurt am Main leben und in Waltersdorf ein Haus gefunden und zum Glänzen gebracht haben. Sie erhalten einen der beiden diesjährigen Hauptpreise. Matthes sieht ebenfalls einen Trend, der sich immer deutlicher abzeichnet. Die Landschaft, die besondere Architektur – für viele mit einer gewissen Exotik behaftet – das mache den Reiz aus, ein solches Haus zu erwerben. „Der Bauzustand ist da mitunter zweitrangig“, sagt er.

Eine Chance für die Region

Bernd Noack nickt zustimmend und nennt noch ein Kriterium: „Die vergleichsweise günstigen Kaufpreise der Häuser, die oft auch noch ein Grundstück dabei haben, sind durchaus ein Argument vor allem für Großstädter“, sagt der Bauamtsleiter von Ebersbach-Neugersdorf. Auch er kennt in seiner Stadt einige aus der Ferne stammende Neu-Besitzer eines Umgebindehauses. „Vor allem aus Dresden haben wir immer wieder Interessenten“, sagt er und erzählt, dass erst in diesem Jahr eine Gruppe junger Dresdener ein Umgebindehaus gekauft hat. Dass sich gerade junge Leute für Umgebindehäuser erwärmen können, freut Noack mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung besonders. Und – egal, ob jung oder alt – die neuen Hausbesitzer haben sich meist gut im Ort integriert, bilden keine Sondergruppe. „Außerdem haben wir doch in der Hoch-Zeit der Textilindustrie ein Vielfaches an Zuzug gehabt“, erinnert Noack an nicht allzu ferne Zeiten. Insofern sieht er genauso wie die Obercunnersdorfer den Verkaufstrend von Umgebindehäusern an Auswärtige als Chance. „Ich habe das Gefühl, dass so mancher Einheimische erst durch die Wertschätzung der neuen Hausbesitzer die heimische Bautradition wieder mit neuen Augen sieht.“

Der Umgang mit dem Erbe zählt

Auch in Großschönau gibt es immer wieder Nachfragen von Auswärtigen, weiß Bürgermeister Frank Peuker. Auf die Stimmung im Ort habe das keine negativen Auswirkungen, betont er. Im Gegenteil: Die Einheimischen würden das Engagement der zugezogenen Häuslebesitzer durchaus schätzen. Denn je mehr sanierte Häuser es gibt, desto mehr glänze die Gemeinde insgesamt. Alle profitieren so voneinander. Dass dies auch anders sein kann, weiß Frank Peuker, denn er muss nur über die Grenze nach Tschechien schauen. Dort gebe es Dörfer, in denen so viele Prager ein Haus haben, dass es zu einem Missverhältnis zwischen dauerhaften und Wochenendbewohnern kommt. „Solche Zustände haben wir hier aber nicht“, erklärt Peuker.

So wird Arndt Matthes auch weiterhin den Umgebindehauspreis an Neu- und Altbesitzer vergeben. „Ausschlaggebend ist für uns ja vor allem die Qualität der Sanierung und der Umgang mit dem Erbe“, sagt er. Und dazu müsse man nicht hier geboren sein, sondern sich nur von der Begeisterung anstecken lassen.