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Vergessenes Görlitzer Waidhaus

Bund und Handwerkerverband organisieren lieber Denkmalkurse in Italien als in Görlitz. Das müsste nicht sein.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Die Chinesen waren schon da. Vor sechs Wochen schaute sich eine Delegation aus der Stadt Qingdao im Waidhaus um – im Hinterkopf die Idee, chinesische Handwerker hier fortzubilden. Ob es dazu kommt, ist noch nicht klar. Für das seit vorigem Jahr faktisch geschlossene Görlitzer Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege im Waidhaus aber ist es ein Hoffnungsschimmer. In den vergangenen 20 Jahren wurden hier über 400 Restauratoren im Handwerk ausgebildet. Jetzt ist nur noch Restaurator Markus Kepstein hier tätig. In Deutschland war der Fortbildungsbedarf zurückgegangen, sodass die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) den Betrieb nicht länger finanzieren wollte.

Umso überraschender kommt nun die Nachricht, dass der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) auf seiner Internetseite mit „Stipendien zur Teilnahme am Baudenkmalpflegekurs 2017 des Europäischen Zentrums für die Berufe in der Denkmalpflege“ wirbt – allerdings nicht etwa in Görlitz, sondern im italienischen Thiene. Und dass auch die Görlitzer Kreishandwerkerschaft den entsprechenden Link bei Facebook teilt, anstatt ähnliche Kurse im Görlitzer Waidhaus anzubieten. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagt Doris Grasse, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Görlitz. Deshalb wolle sie sich dazu auch nicht weiter öffentlich äußern. Kreishandwerksmeister Knut Scheibe gibt sich ebenfalls kurz angebunden. Er sagt, das Thema sei nicht einfach zu lösen: „Es berührt uns schon, aber wir haben wenig Einfluss auf das Ganze.“ Noch vager ist die Aussage von Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden. Die Handwerkskammer stelle ein Vorstandsmitglied des Görlitzer Denkmalpflegezentrums und sei unter anderem damit Partner des Zentrums. Was konkret die Handwerkskammer für die Zukunft des Waidhauses unternimmt und wie sie zu dem Angebot in Italien steht, dazu sagt er nichts.

Der ZDH selbst äußert sich zumindest etwas ausführlicher. „Wir haben uns in starkem Maße sowohl bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz als auch bei der Landespolitik dafür eingesetzt, dass das Zentrum in Görlitz erhalten bleibt“, teilt der zuständige Mitarbeiter mit. Was konkret der ZDH für das Waidhaus getan hat, sagt er aber nicht. Stattdessen: „Wir haben uns im Rahmen unserer Möglichkeiten eingebracht.“ Im Übrigen werde das Fortbildungsstipendium in Thiene seit Jahrzehnten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert. Es sei die Informationspflicht gegenüber Handwerksbetrieben, dass der ZDH über das BMBF-geförderte Angebot unterrichte.

Mit anderen Worten: Das Ministerium zahlt für die Kurse, der ZDH informiert nur darüber. Doch Ministeriums-Pressesprecherin Nina von Sartori schiebt den Schwarzen Peter prompt zurück: „Es ist nicht so, dass das BMBF die Handwerker nach Italien schicken würde – anstatt nach Görlitz. Vielmehr unterstützen wir den ZDH dabei, das Stipendienprogramm zur Fortbildung von Handwerkern in Thiene durchzuführen.“ Diese Initiative gehe auf die Europäische Denkmalschutz-Charta des Europarates zurück, die 1975 verabschiedet wurde. Im Rahmen des Stipendienprogramms absolvieren seit Langem jährlich bis zu 20 Handwerker einen dreimonatigen Baudenkmalpflegekurs in Thiene. Um selbst in den Genuss einer solchen Unterstützung zu kommen, könnte sich das Fortbildungszentrum in Görlitz um europäische Fördermittel aus dem „Erasmus+“-Programm bewerben, sagt Nina von Sartori: „Letztlich müssten sich die Leute vom Waidhaus und die politisch Verantwortlichen darum kümmern.“

Ein politisch Verantwortlicher ist der Görlitzer Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer, der auch stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Bildung, Forschung, Kunst, Kultur und Medien ist. Er verspricht am 24. Mai auf SZ-Nachfrage, beim Ministerium nachzufragen und zu schauen, ob etwas zu machen sei. Diese Woche nun sagt Kretschmer, dass es über Erasmus tatsächlich Möglichkeiten gebe. Wichtig sei aber, dass sich in Görlitz jemand wirklich dahinterklemme, Geld ranzubesorgen: „Ich selbst würde da auch gern helfen.“ Kretschmer will jetzt Kontakt zu Gottfried Semmling aufnehmen, dem Vereinsvorsitzenden des Fortbildungszentrums. Der hofft parallel weiter auf die Chinesen. „Die haben mir jetzt eine Wunschliste geschrieben“, sagt Semmling: „Sie wollen das Ganze so schnell und so einfach wie möglich umsetzen.“ Voraussetzung sei aber, dass das Zentrum als solches erhalten bleibt. Nicht nur mit Geld aus China, sondern mit hiesiger Unterstützung.