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Vereine bekommen Geld von der Justiz

Wenn Angeklagte in Riesa verurteilt werden, Bußgelder zu zahlen, gehen diese oft nach Radeburg. Warum?

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© Symbolfoto: dpa

Von Jörg Richter

Riesa. Eine Verhandlung vor Kurzem am Amtsgericht Riesa wirft eine Frage auf: Wer bestimmt eigentlich, welche Vereine in den Genuss von Bußgeldzahlungen kommen? Im vorliegenden Fall hatte eine Großenhainer Rentnerin 2 000 Euro in einem Geldautomaten gefunden und einfach eingesteckt. Amtsrichterin Ingeborg Schäfer beließ es bei einer Strafverwarnung. Innerhalb von sechs Monaten muss die 79-Jährige ratenweise das Geld zurückzahlen. Zusätzlich wurde die ältere Dame verurteilt, 200 Euro an einen gemeinnützigen Verein zu zahlen (SZ berichtete). Obwohl die Rentnerin als auch die Geschädigte aus Großenhain stammen und auch der Ort der Straftat in Großenhain lag, bedachte die Richterin keinen dortigen Verein mit der Bußgeldzahlung. Die 200 Euro sollen stattdessen dem Riesaer Verein Sprungbrett zu Gute kommen.

„Ich nehme gern den Sprungbrett e.V.“, erklärt Ingeborg Schäfer. Der Riesaer Verein kümmere sich unter anderem um arbeitslose Jugendliche und arbeite viel mit dem Amtsgericht Riesa zusammen, wenn es darum geht, Verurteilten die Möglichkeit einzuräumen, Arbeitsstunden abzuleisten. „Das ist nicht immer ein Vergnügen“, so die Richterin.

Sprungbrett-Chef Andreas Näther erhält auf diese Weise nach eigenen Angaben rund 8 000 Euro jährlich für den Verein. „Das hilft uns sehr. Wir investieren das Geld in unsere Straffälligenhilfe. Auf Gut Göhlis packen die Jugendlichen und Erwachsenen dann mit an.“ Auf dem Gelände erledigen sie Hilfsarbeiten – Blätter fegen oder dergleichen.

Herbert Zapf, der Leiter des Amtsgerichts Riesa, verteidigt die Entscheidung seiner Kollegin Ingeborg Schäfer. „Das macht jeder Richter, wie er denkt“, sagt er. Zapf selbst würde sehr oft die Diakonie Riesa-Großenhain mit Bußgeldzahlungen bedenken. Der Verein hatte im Jahr 2016 auch insgesamt 6 625 Euro aus Gerichtsverfahren erhalten und rangiert in einer kreisinternen Liste der berücksichtigen Vereine immerhin auf Platz sechs.

Voraussetzung sei, so Zapf, dass die Vereine gemeinnützig sind. Von Vorteil ist auch, dass sie sich beim Oberlandesgericht (OLG) Dresden für eine Bußgeldliste registrieren lassen. Davon gibt es drei verschiedene: eine bundesweite, eine sachsenweite und eine regionale Liste. Auf der regionalen Bußgeldliste des Landgerichtsbezirks Dresden 2016 waren insgesamt 357 gemeinnützige Vereine erfasst. Die Statistik für 2017 ist noch nicht vollzählig. 192 Vereine wurden im vorletzten Jahr bei Gerichtsverfahren berücksichtigt. Sie erhielten insgesamt rund 924 000 Euro Bußgeldspenden. 165 Vereine gingen leer aus – trotz Registrierung.

Auch zwölf Riesaer Vereine sind auf dieser Liste zu finden, wobei allerdings vier leer ausgegangen sind. Der mit Abstand meistberücksichtigte Verein im Landkreis Meißen ist der Kinderferienlagerverein Radeburg. Er rangiert in der Dresdner Regionalliste mit 21 430 Euro erhaltener Bußgelder auf Platz vier. Sie wird angeführt vom Sonnenstrahl e.V. Dresden (52 625 Euro), der sich um krebskranke Kinder und Jugendliche kümmert.

Der Sprungbrett e.V. Riesa ist in keiner der drei Listen des Oberlandesgerichtes Dresden für das Jahr 2016 zu finden. Daher taucht er auch nicht in der Statistik (siehe Kasten) auf. „Das ist auch keine Voraussetzung, um bedacht zu werden“, sagt OLG-Pressesprecherin Gesine Tews. „Die Listen sind nur als Hilfe für die Gerichte gedacht. Zwingend sind sie nicht.“

Die Top Ten der berücksichtigen Vereine aus dem Landkreis Meißen

1. Kinderferienlagerverein e.V. Radeburg 21 430 Euro

2. Jugendfreizeitverein e.V. Radeburg 16 550 Euro

3. Hospiz-Dienste im Dresdner Umland gGmbH Radebeul 11 400 Euro

4. Schmales Haus e.V. Meißen 9 190 Euro

5. Deutscher Kinderschutzbund Ortsverband Riesa und Umgebung ´7 550 Euro

6. Diakonie Riesa-Großenhain gGmbH, Sitz in Großenhain 6 625 Euro

7. Familieninitiative Radebeul e.V. 6 400 Euro

8. Deutscher Kinderschutzbund, Ortsverband Radebeul 5 600 Euro

9. Volkssolidarität-Elbtalkreis e.V. in Radebeul 5 000 Euro

10. Förderverein der Schule für geistig Behinderte Radebeul e.V. 4 600 Euro

Quelle: Oberlandesgericht Dresden / Bußgeldliste des Landgerichtsbezirkes Dresden 2016