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Verdi legt Obi einen Streik ins Nest

Der Baumarkt-Primus soll in den Tarif. Mit dieser Forderung stehen Mitarbeiter zu Ostern vor der Tür.

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© T. Kretschel

Von Michael Rothe

Dresden. Kunden der Baumarktkette Obi sollten am Ostersamstag mehr Zeit für Ihren Einkauf einkalkulieren. Grund: Weil der Branchenprimus seinen Mitarbeitern in Sachsen seit Jahren einen Tarifvertrag verweigert, hat die Gewerkschaft Verdi die knapp 320 Beschäftigten der Märkte in Ottendorf-Okrilla, Radebeul, Pirna sowie beider Adressen in Dresden von 7 bis 14 Uhr zum Streik aufgerufen. Bereits am Gründonnerstag hatten viele die Arbeit niedergelegt und sich rund 70 vor der Filiale in Radebeul versammelt. Ähnliche Aktionen gibt es in Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Nachdem halbstündige „kämpferische Mittagspausen“ 2016 im Sande verlaufen waren, erhöhen Arbeitnehmervertreter nun den Druck auf den Konzern, der sich mit dem käuflichen Titel eines „Top Employers“, eines Spitzen-Arbeitgebers, schmückt. Die Kette mit 48 000 Beschäftigten in elf Ländern Europas erwirtschaftete 2015 rund 6,7 Milliarden Euro Umsatz.

Angst vor der Zukunft

„Ziel bleibt ein Anerkennungstarifvertrag“, sagt Sonja Zimmer, Verdi-Fachsekretärin für Ostsachsen. Obi hatte sich rückwirkend zum 1. Januar zu einer Lohnerhöhung von 50 Euro durchgerungen. Ein Jahr vorher hatte es lediglich eine Einmalzahlung von 400 Euro brutto gegeben – und in der Dimension auch nur für die wenigen Vollzeitkräfte. „Ein Witz, erst recht für anteilig vergütete Teilzeitkräfte“, schimpft Andreas Menzel, Betriebsrat in der Filiale Dresden-Weißig.

Von rund 90 Kollegen dort arbeite nur jeder Vierte voll. Sie bekämen pro Stunde fast zwei Euro weniger als branchenüblich. Zuschüsse wie anderswo für Essen oder Fitnesscenter seien Fremdwörter. Menzel nennt das jüngste Lohnplus „einen Brotkrumen, damit Ruhe eintritt“. Aber das Gegenteil sei der Fall, sagt er.

Nach der Erhöhung beträgt der mittlere Stundenlohn 13,01 Euro, zwischen und innerhalb der Märkte stark schwankend. „Wir sprechen teils von gut 400 Euro Differenz zum Tarifvertrag, der 14,76 Euro pro Stunde vorsieht“, sagt Betriebsrat Menzel und ergänzt: „Die Kollegen haben Angst vor der Zukunft. An Rente ist bei so einem Gehalt kaum zu denken.“

Statt des sächsischen Einzelhandelstarifs strebt Obi ein eigenes Lohnsystem an: in Eigenregie und ohne Gewerkschaft als Tarifpartner, für alle Märkte, nicht aber für die Verwaltung. Die Betriebsräte sollen es absegnen, sind aber uneins, wie sie damit umgehen. Per Flugblatt warnt Verdi: „Überall, wo Unternehmen diesen Weg gegangen sind, hat das dem Arbeitgeber erhebliche Vorteile gebracht, den Arbeitnehmern aber nur Nachteile: weniger Geld und schlechtere Arbeitsbedingungen.“

Der Marktführer stand wiederholt in der Kritik: wegen Hausverboten für Gewerkschafter, konstruierten Kündigungen, Behinderung von Betriebsratswahlen. Laut Menzel haben nur etwa 80 der 350 deutschen Märkte eine solche Arbeitnehmervertretung.