Merken

Verbrannte Kohle

Der Vattenfall-Konzern hat mit dem Verkauf seiner ostdeutschen Braunkohle nur Minus gemacht. Derweil werden die Zweifel am neuen Eigentümer lauter.

Teilen
Folgen
© André Schulze

Von Ulrich Wolf und Michael Rothe

Jetzt ist es offiziell. Mit dem Verkauf seiner Braunkohlereviere in der Lausitz hat Vattenfall keinen Cent verdient. Im Gegenteil: Wegen hoher Abschreibungen und einer großzügigen Beigabe zur Rekultivierung der Tagebaue hat der schwedische Staatskonzern 2016 ein Minus von umgerechnet gut 2,7 Milliarden Euro erwirtschaftet – nach knapp 2,2 Milliarden Euro 2015. Das geht aus der am Dienstag vorgelegten Bilanz hervor. Der Umsatz ging von 17,4 auf 16,2 Milliarden Euro zurück. Welchen Anteil die per September verkaufte Ost-Kohlesparte an jener vierten Negativbilanz in Folge hatte, wollte Vattenfall der SZ im Anschluss nicht verraten.

Für Vattenfall-Chef Magnus Hall ist die Abspaltung dennoch ein Befreiungsschlag. Ein Verbleib jener Geschäfte würde doppelt so teuer, hatte er im letzten Sommer prophezeit. Der fünftgrößte Stromerzeuger Europas sei nun weniger vom eingebrochenen Strompreis abhängig und stehe stabiler da als zuvor. Das Verkaufspaket umfasste die Tagebaue Jänschwalde, Nochten, Welzow-Süd, Reichwalde sowie die im vorigen Jahr geschlossene Mine Cottbus-Nord. Auch die Kraftwerke Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe und der Block R in Lippendorf wechselten den Eigentümer.

Die Neuen kommen aus Tschechien: der Energieriese EPH, dem bereits das mitteldeutsche Braunkohlerevier gehört, und der Finanzinvestor PPF-Investments. Hinter beiden stehen mit Daniel Kretinsky und Petr Kellner zwei der reichsten Europäer. Sie haben, wie üblich in den Kreisen, auch für den Coup in der Lausitz eine komplexe Eigentümerstruktur entwickelt. Die Tagebaue und Kraftwerke, die seit dem Kauf unter der Lausitzer Energie AG (Leag) firmieren, gehören mehrheitlich einer eigens gegründeten Lausitz Energie Verwaltungsgesellschaft mbH in Cottbus. Ihr Job sind selbst erklärt, „ausgewählte Dienstleistungen wie das Rechnungs- und Steuerwesen“.

Die Cottbuser Rechenkünstler wiederum gehören einer Leag Holding in Prag mit zwei Gesellschaftern: EPH in Prag und eine Firma mit Sitz in Nikosia. Zu vermuten ist, dass hinter dem zypriotischen Unternehmen die PPF-Gruppe des Milliardärs Kellner steckt. Nachzuweisen ist das nicht. PPF lässt Anfragen unbeantwortet, das Handelsregister auf Zypern ist nichtöffentlich.

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen in Brandenburg, Heide Schinowsky, hält das für „wenig vertrauenserweckend“. Sie fordert die Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen auf, von den Investoren Patronatserklärungen einzufordern, damit der Steuerzahler bei einer Insolvenz nicht auf den Kosten sitzenbleibt. Und sie bezweifelt, dass die Tschechen genügend Geld für die spätere Tagebau-Rekultivierung zurücklegen.

Auch Sachsens Grüne schlagen Alarm. Ihr Energieexperte Gerd Lippold wirft dem Freistaat vor, „das Schicksal sächsischer Dörfer, Landschaft und Kultur“ von tschechischen Milliardären abhängig zu machen. Sie hätten „unsere Bodenschätze geschenkt bekommen“ und zahlten dafür „weder Steuern noch Abgaben“.

Beide Landtagsabgeordnete liegen auf der Linie von Greenpeace. Die Umweltschützer haben zu EPH ein „Schwarzbuch“ aufgelegt. Darin heißt es: „Ob mit den Firmengeflechten bei EPH und PPF eine Übernahme von möglichen Sanierungskosten für die Folgen der Bergbautätigkeit gewährleistet ist, darf bezweifelt werden.“

Das SPD-geführte Brandenburger Wirtschaftsministerium entgegnet, der bloße Eigentümerwechsel führe nicht automatisch dazu, eine Sicherheitsleistung anzuordnen. Zudem prüfe das Bergamt laufend, ob ein Bergwerksbetreiber der Verantwortung zur Wiedernutzbarmachung nachkommt. Man könne „keine Versäumnisse“ des Landes bei Verkauf der Vattenfall-Sparte erkennen, heißt es. Ähnlich äußert sich das auch sozialdemokratisch gelenkte Wirtschaftsministerium in Dresden.

Greenpeace hat aber mittlerweile auch festgestellt: Das Brandenburger Wirtschaftsministerium hat eine Verfügung des eigenen Bergamtes ignoriert, mit der EPH gezwungen werden sollte, nachweislich Geld für die Rekultivierung zurückzulegen. Das Ministerium berufe sich stattdessen auf ein Gutachten, erstellt vom Bundesverband Braunkohle. Verfasser sei ausgerechnet jene Wirtschaftskanzlei, die Vattenfall beim Verkauf seiner Braunkohle-Sparte beraten habe. Sie hätte sich demnach selbst ein korrektes Tun bescheinigt.

Somit läuft vorerst alles rund für EPH mit 10 500 Beschäftigten in Europa und Staaten der früheren Sowjetunion. Im ersten Halbjahr 2016 machte das Unternehmen 320 Millionen Euro Gewinn. Netto. Bis dahin hatte EPH drei Eigentümerinnen. Die erste ist eine Firma in Luxemburg und gehört Vorstandschef Kretinsky. Hinter der zweiten, einer Gesellschaft auf Zypern, steckt der slowakische Banker Patrik Tkac. Er ist ferner an der dritten EPH-Eignerin beteiligt. Auch sie hat ihren Sitz auf Zypern und gehört neben Tkac neun weiteren vermögenden Slowaken und Tschechen. Nach der Übernahme des Lausitzer Reviers änderte sich das. Die Alt-Gesellschafter der EPH wurden mit Milliarden ausgezahlt. Nun hält Daniel Kretinsky 94 Prozent der Aktien. Nutznießer des Deals war vor allem der 43-jährige Tkac. Er kann für seine Anteile bis zu 2,75 Milliarden Euro kassieren. Der Endpreis hänge von der Entwicklung der EPH ab, hieß es in einer Pressemitteilung des Konzerns. Tkac äußerte sich lakonisch: „Für mich (...) stellt diese Transaktion eine Mitnahme von Gewinnen aus einem äußerst erfolgreichen Projekt dar.“

Wie EPH die Aktiengeschäfte finanziert hat, ist unklar. Greenpeace schließt nicht aus, dass dabei auch jene 1,7 Milliarden Euro eine Rolle spielten, die Vattenfall den Tschechen als Mitgift zur Rekultivierung der Tagebaue überlassen hatte. In Potsdam heißt es nur, der Landesregierung lägen über den Verbleib der Summe keine Informationen vor. EPH betont, für die Kosten der neuen Eigentümerstruktur seien keine Mittel aus der Leag verwendet worden.

Klar ist mittlerweile, dass der Verkauf der Kohlereviere im Osten schon viel früher als bislang bekannt ins Auge gefasst wurde. Der SZ liegt eine Mail vor, wonach sich Vertreter des Brandenburger Wirtschaftsministeriums bereits im März 2014 mit einer für EPH tätigen Beratungsfirma verabredet hatten. Treffpunkt war der „Salon Oriental“ im Berlin Capital Club am Gendarmenmarkt, einem exklusiven Etablissement der Reichen und Mächtigen in der Hauptstadt. Sachsen war damals noch nicht involviert. Als ein Problem für den Verkauf wird handschriftlich festgehalten: „Standpunkt Sachsen derzeit unklar!“

Ebenfalls offen ist der Ausgang einer Beschwerde bei der Europäischen Union. Der Anwalt des beim Verkauf ohne Begründung ausgebooteten EPH-Rivalen Lausitz Mongolia Mining Generation AG in Dresden forderte die EU-Wettbewerbskommission per Brief am 20. Januar erneut auf, den Verbleib der 1,7 Milliarden Euro von Vattenfall zu klären, in seinen Augen eine unzulässige Beihilfe. Notfalls müsse die europäische Antikorruptionsbehörde einschreiten, sagt er. Eine Antwort steht aus.