Merken

Vattenfall muss wohl auf Milliarden verzichten

Der schwedische Konzern wird seine Braunkohle-Sparte zum Billigpreis verkaufen müssen, sagen Experten. Greenpeace geht in seiner Prognose noch weiter.

Teilen
Folgen
NEU!
© Jens Trenkler

Von Tilo Berger

Region. Es wird ernst für Vattenfall. Bis Anfang März können ernsthafte Interessenten für den Kauf der Braunkohle-Sparte ein verbindliches Angebot abgeben. Der Konzern nennt offiziell keinen Preis, doch es gilt als offenes Geheimnis, dass das Unternehmen für seine vier Tagebaue und dreieinhalb Kraftwerke (Lippendorf bei Leipzig gehört Vattenfall nur zur Hälfte) zwei bis drei Milliarden Euro haben möchte. Aber die wird der Verkäufer wohl nicht bekommen.

Die schwedische Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ geht davon aus, dass der Kaufpreis bei rund 300 Millionen Euro liegen könnte – wenn überhaupt. Das wäre nicht einmal ein Drittel dessen, was allein der erst 2012 in Betrieb genommene 670-Megawatt-Block im Kraftwerk Boxberg gekostet hatte. „Svenska Dagbladet“ beruft sich bei dieser Prognose auf einen tschechischen Energie-Analytiker, der namentlich nicht genannt sein möchte. Drei tschechische Unternehmen haben ein Auge auf Vattenfalls Tagebaue und Kraftwerke geworfen. Zwei davon gehören milliardenschweren Oligarchen, eines zu 70 Prozent dem Staat. Gemeinsam sei allen dreien aber, dass sie keinesfalls die von Vattenfall gewünschte Summe zahlen möchten. Denn keiner der tschechischen Interessenten müsse aus eigenem wirtschaftlichen Interesse um jeden Preis die Lausitzer Anlagen und das halbe Kraftwerk Lippendorf übernehmen und weiterführen.

„Kein Interessent ist von diesem Geschäft abhängig, deshalb gibt es auch keinen Preiskampf“, schreibt „Svenska Dagbladet“. Dagegen wolle der schwedische Staatskonzern sein deutsches Kohlegeschäft auf jeden Fall abstoßen und werde dabei wahrscheinlich auch eine niedrigere Einnahme als erhofft in Kauf nehmen.

Nach SZ-Informationen ist außer den drei tschechischen Energiekonzernen auch die Steag mit Sitz in Essen mit im Rennen. Von der Steag selbst gibt es dafür keine Bestätigung, stattdessen indirekt vom Umweltministerium von Nordrhein-Westfalen (NRW). Minister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Steag davor gewarnt, ein verbindliches Angebot für die Lausitzer Braunkohle abzugeben. „Es ist befremdlich, dass die Steag nun für die Braunkohle-Sparte von Vattenfall bieten will. Es ist nicht die Aufgabe von Stadtwerken im Ruhrgebiet, Braunkohle-Jobs in der Lausitz zu erhalten“, sagte Remmel der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf.

Die Steag, abgeleitet vom früheren Namen Steinkohlen-Elektrizität AG, gehört sieben Stadtwerken im Ruhrgebiet. Das Unternehmen betreibt mit rund 5000 Mitarbeitern acht Steinkohlekraftwerke in Deutschland sowie je eines in der Türkei, auf den Philippinen und in Kolumbien. Sollte die Steag ein Angebot für Vattenfall abgeben, droht NRW-Umweltminister Remmel mit der Kommunalaufsicht.

Nach einer Berechnung der Umweltorganisation Greenpeace liegt der Wert von Vattenfalls Kohlesparte bei weniger als einer halben Milliarde Euro. Doch da seien einige Faktoren noch gar nicht berücksichtigt, sagt Energie-Experte Tobias Austrup gegenüber der SZ: „Hohe Folgekosten des Kohleabbaus, beispielsweise für die Renaturierung der Tagebaue und den Rückbau der Kraftwerke, drücken den Preis auf einen negativen Betrag von mehr als zwei Milliarden Euro minus. Berücksichtigt man darüber hinaus die enormen sozialen und Umweltkosten, errechnen sich finanzielle Verpflichtungen in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags, die Vattenfalls Braunkohlesparte in der Lausitz der Gesellschaft verursacht.“