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Tellkamp: „Blaues Wunder autofrei“

Der prominente Schriftsteller will das Dresdner Wahrzeichen zur Fußgängerzone machen - und hat dabei ein prominentes Vorbild vor Augen.

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Das Blaue Wunder in Dresden ist eine viel befahrene Brücke. Schriftsteller Uwe Tellkamp schlägt allerdings vor, die Brücke autofrei zu gestalten.
Das Blaue Wunder in Dresden ist eine viel befahrene Brücke. Schriftsteller Uwe Tellkamp schlägt allerdings vor, die Brücke autofrei zu gestalten. © Sven Ellger

Bekannt geworden ist er durch den Roman „Der Turm“. Jetzt will Schriftsteller Uwe Tellkamp auch sein Blaues Wunder erleben. Und zwar so richtig. Und am liebsten ungestört von Autos. „Wir sollten darüber nachdenken, das Blaue Wunder autofrei zu machen“, sagte der 45-Jährige auf dem wohnungspolitischen Abend der Gagfah am Dienstagabend im Lipsiusbau. Das Unternehmen hatte Tellkamp eingeladen, um über das Thema „Leben in Dresden, heute und morgen“ zu sprechen.

Dieser nutzte das Podium vor rund 200 geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft, um seine drei Visionen für Dresden preiszugeben. Zuvor hatte er die Stadtspitze um Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) wegen vermeintlich fehlender Zukunftsideen kritisiert. „Das sieht mager aus“, sagte er.

Tellkamp machte sich zunächst für ein Unterrichtsfach „Kommunikation“ in der Schule stark. „Wir haben verlernt, miteinander zu reden.“ Er beobachte, dass sich viele Paare in seinem Alter scheiden ließen, weil sie sich nicht mehr trauten, offen miteinander zu sprechen. Das müsse den Kindern und Jugendlichen in der Schule beigebracht werden.

Außerdem schlägt Tellkamp eine besondere Form des Mehrgenerationenwohnens in Dresden vor. Jüngere Mieter sollten dazu verpflichtet werden, sich in ihrer Freizeit um einen älteren Bewohner des Hauses zu kümmern. Die geleisteten Stunden könnten dann als Gegenleistung von der Miete abgezogen werden, so sein Vorschlag. „So lernt der eine etwas über das Leben und der andere etwas über Hip-Hop.“

Für den meisten Diskussionsstoff sorgte aber sein Vorschlag, das Blaue Wunder zur Fußgängerzone zu machen. „Das könnte wie die Rialto-Brücke in Venedig werden, mit kleinen Buden auf der Brücke“, sagte er. Der Schiller- und der Körnerplatz seien bereits jetzt sehr schöne Plätze. „Nur die Autos stören einfach.“ Diese müssten künftig über einen Brückenneubau geleitet werden. Tellkamp schlug vor, das autofreie Blaue Wunder aber jetzt schon einmal für einen Monat zu testen. „Wenn es nicht klappt, kann man das Ganze ja wieder rückgängig machen.“

„Eine gute Idee – aber leider nicht realistisch“, findet Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). Die Landschaft zwischen Loschwitz und Blasewitz gehöre zu den schönsten Gebieten. Das weiß die 61-Jährige auch aus täglicher Erfahrung. Schließlich wohnt sie in Loschwitz unweit des Blauen Wunders. Diese Elbquerung habe dort jedoch eine herausragende Bedeutung für den Verkehr. „Allein 540 Linienbusse fahren täglich über die Brücke“, rechnet Orosz vor. Eine Sperrung wäre nur dann möglich, wenn in unmittelbarer Nähe ein neues Brückenbauwerk entstehen würde.

Pläne dazu gab es bereits zu DDR-Zeiten. Denn das 1893 fertiggestellte Blaue Wunder war in die Jahre gekommen. Damals fuhr noch die Straßenbahn in Richtung Pillnitz darüber. „An den Schienenübergängen bildeten sich Unebenheiten. Deshalb krachte es beim Überfahren“, erinnert sich Fritz Haufe, der 38 Jahre lang Brücken-Abteilungsleiter im Tiefbauamt war. „Die Schwingungen hatten schon Schäden verursacht.“ Deshalb fuhr am 9. April 1985 die letzte Straßenbahn über die Loschwitzer Brücke.

Ein Stück stromabwärts sollte eine neue Brücke gebaut werden. „Dafür gab es bereits einen Vorentwurf“, so Haufe. Linkselbisch sollte die Zufahrt in Höhe des heutigen Standesamtes beginnen, rechtselbisch ein Tunnel zur Grundstraße angelegt werden. Doch die Idee konnte sich nicht durchsetzen. Geplant wurde letztlich die Waldschlößchenbrücke. Einen Tunnel hatte 2009 auch der Bauingenieur und damalige CDU-Stadtrat Joachim Stübner vorgeschlagen. Doch die Stadt lehnte die Idee ab.

„Wir haben für das Blaue Wunder im Moment keine Alternative“, erklärt Straßenbauamtschef Reinhard Koettnitz. „Ich kann mir im Gegensatz zur Augustusbrücke kein autofreies Blaues Wunder vorstellen.“ Zwar sei nach Eröffnung der Waldschlößchenbrücke der Verkehr von täglich rund 33.000 auf etwa 30.000 Autos gesunken. Dennoch hält Koettnitz auch den von Tellkamp vorgeschlagenen einmonatigen Test einer autofreien Brücke für unmöglich. Er erinnert an die knapp einwöchige Sperrung während der Juniflut 2013. „Das reicht zu“, sagt er.

Spannende Brückengeschichten zum Blauen Wunder – so vom Bau, dem Brückenzoll und der Flut 2013 – enthält das in der Edition SZ erschienene Buch „Dresdner Brücken - Von den Anfängen bis zur Gegenwart“.