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Urlaubsgrüße vergangener Zeiten

Wolfgang Thomas besitzt 3 000 Postkarten. Damit arbeitet der Wehlener die Geschichte der Gegend auf.

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© Kristin Richter

Von Peter Salzmann

Stadt Wehlen. Sein gepflegter Mehrtagesbart reicht von Ohr zu Ohr und unterstreicht seine urige Bodenständigkeit, die den Forscher erahnen lässt. Fast weihevoll präsentiert Wolfgang Thomas seine „wertvollste Postkarte“ – zwar nur eine Kopie, aber geschichtsträchtig allemal. Das filigrane Exemplar zeigt eine Ansicht von Wehlen aus dem Jahre 1724, verewigt vom seinerzeit bekannten Städtemaler Rosenlöcher, der im Auftrag von König Friedrich Wilhelm mit Stift, Pinsel und Palette unterwegs war. „Das Original“, so Ortschronist Thomas, „hing ursprünglich in der Dresdner Gemäldegalerie und ist im Februar 1945 den alliierten Bombenangriffen zum Opfer gefallen“. Doch der beflissene Sammler relativiert: „Meine älteste Postkarte unter den 3 000 Exemplaren stammt von 1523 und ist die Kopie eines Bildes von einem unbekannten Künstler, der die Burg Wehlen künstlerisch festgehalten hat.“

Vor wenigen Tagen ist ein 75-seitiges Büchlein erschienen, das das Stadtarchiv Wehlen  –  ehrenamtlich verwaltet von Wolfgang Thomas  –  herausgegeben hat. In braunem Kunstledereinband mit goldener Prägeschrift wirbt die Dokumentation mit Bild und Text für die „Stadt Wehlen in der schönen Sächsischen Schweiz“. Autor Thomas behauptet zu Recht in seinem Geleitwort: „Heimatkenntnis schafft Heimatliebe.“

Alles in Buchform

Der 68-jährige Pötzschaer beweist das mit 37 Ansichten des Wehlstädtels, die er aus seiner Sammlung sorgfältig ausgewählt hat. „70 Prozent meiner Ansichtskarten und Faksimiles sind Motive von Wehlen und Umgebung, so von den Bärensteinen und der Bastei.“ Der Leser erfährt auch, dass Wehlen um 1900 mehr als 15 Schuhmachermeister hatte, darunter Schuster Stöber, der seine bescheidene Werkstatt in der heutigen Männickestraße 86 betrieb. Vom verheerenden Steinbruch-Unglück im Mai 1829 erzählt eine Postkarte. „Nach sechstägigem Suchen der 13 verschütteten Brecher konnten nur fünf lebend geborgen werden“, weiß Thomas. Die katastrophalen Folgen des Unwetters vom 1. September 1822 dokumentiert eine Karte, die einem Kupferstich entlehnt ist. Der Grundbach hatte damals Gebäude und Brücken mit sich gerissen und ein Todesopfer gefordert. Die Ansicht des alten Bahnhofs, der von 1846 bis 1926 existierte, ist nicht nur der Geschichte wegen interessant: Sechs Bahner in ihren Uniformen erwarten vor dem Gebäude in stolzer Habacht-Stellung die Ankunft eines Zuges.

Wolfgang Thomas ehrt in seinem Büchlein auch Persönlichkeiten aus längst vergangenen Zeiten. So Carl Gottlieb Hauptmann (1816-1905) aus Zeichen. Der Dichter hinterließ der Nachwelt „Deutsche Volks- und Zeitgeschichte“, die in 25 Auflagen über 100 000 Exemplare erreichte. Dem Schriftsteller Hermann Friedrich Jahnke (1845-1908) aus Pötzscha bescheinigt Wolfgang Thomas in vielen seiner Werke, seine Wahlheimat Wehlen verherrlicht zu haben. Die goldbetitelte Mini-Chronik der „Stadt Wehlen“ soll demnächst in begrenzter Auflage erscheinen, um sie Gästen und Touristen, Wanderern und Einheimischen zum Kauf anzubieten.

Dass sogar die Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek die hohe Sachkenntnis von Wolfgang Thomas in Anspruch nehmen wird, kommt nicht von ungefähr. Er hatte die Fachleute darauf aufmerksam gemacht, dass Faktenfehler in Veröffentlichungen über Profanbauten aufgetreten sind. Das ist sein neuestes Projekt.