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Urlaub in Afghanistan - ein tödliches Abenteuer

Urlaub im Kriegsgebiet? Ein paar verwegene Abenteuer-Touristen zieht es trotz der Gefahr nach Afghanistan, Reisewarnungen ignorieren sie. Das kann tödlich enden: Erneut ist ein deutscher Urlauber erschossen worden, diesmal im Westen Afghanistans.

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Von Can Merey

Neu Delhi. Der deutsche Abenteuer-Tourist war seit einiger Zeit in Afghanistan unterwegs, sein Visum war bereits abgelaufen. In der westafghanischen Provinz Ghor bat er um eine Verlängerung, die dortige Polizei verwies darauf, dass er die nur in Kabul bekommen könne. Die Polizisten, so sagt Provinzgouverneur Abdullah Hewad, rieten dem Urlauber außerdem dazu, in die Hauptstadt zu fliegen. Der Deutsche schlug den Rat in den Wind und entschied sich für den gefährlicheren Landweg. Am Samstag wurde er auf der Fahrt gemeinsam mit seinem afghanischen Begleiter von Unbekannten erschossen.

Urlauber trifft man selten in Afghanistan und Pakistan, doch kommt es gelegentlich trotz der alarmierenden Sicherheitslage vor, dass sich Touristen auf den einstigen Hippie-Trail begeben. Bereits vor einigen Jahren fragte eine Reisegruppe aus Westeuropa verdutzte Korrespondenten beim Frühstück in einem Hotel im nordafghanischen Masar-i-Scharif, wo denn bitteschön der Bus nach Kundus abfahre. Die älteren Urlauber waren gerade über die GUS-Republiken eingereist, wollten im Wakhan-Korridor im Nordosten Afghanistans wandern gehen und hatten ihren Transport nicht vorab organisiert.

Deutschen mit Säugling Weiterreise verweigert

In Pakistan tourte vor einigen Monaten eine junge Familie aus dem deutschsprachigen Raum mit ihrem alten Mercedes durch die Gegend. Ihr Ziel - Afghanistan - erreichten sie nicht, weil die örtlichen Behörden sie nicht dorthin reisen ließen. Die Eltern hatten ein nicht einmal einjähriges Baby dabei, sie waren über den Iran nach Pakistan gefahren. Der Mann erzählte, sie hätten mit dem Kind gelegentlich neben dem Auto am Straßenrand geschlafen - unter freiem Himmel.

Selbst Reiseagenturen bieten Trips nach Afghanistan an. So kann man etwa bei der britischen Firma Wild Frontiers für kommendes Jahr das Paket „Afghanistan Explorer“ buchen. Für umgerechnet rund 5600 Euro führt die 16-tägige Tour nach Kabul, Herat, ins Pandschir-Tal, nach Bamian und nach Masar-i-Scharif - allesamt eher ruhige Orte, die aber ohne Vorwarnung gefährlich werden können. Wie schnell sich die Lage ändern kann, zeigte vor wenigen Wochen die Ermordung von zwei deutschen Entwicklungshelfern aus Kabul. Sie waren in einer Gegend am Hindukusch wandern, die bislang als sicher galt.

Für die diplomatischen Vertretungen sind besonders Individualtouristen ein Alptraum. Sie ignorieren die Reisewarnungen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. So besagt die des Auswärtigen Amtes: „Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt. Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein.“

Und weiter heißt es: „Allen Deutschen vor Ort wird zu größtmöglicher Vorsicht geraten. Dies gilt besonders für Überlandfahrten, die auch in vergleichsweise ruhigeren Landesteilen nur im Konvoi, nach Möglichkeit bewacht, und mit professioneller Begleitung durchgeführt werden sollten.“ Verbieten kann man den Touristen die Reisen trotz aller Gefahren nicht.

Weiterer Deutscher extrem auffällig unterwegs

Wenn es dann - wie in den Reisewarnungen prognostiziert - ernst wird, wenden sich die Urlauber doch an die Botschaften. Dabei haben diese in den Krisenländern Afghanistan und Pakistan auch ohne abenteuerlustige Urlauber genug zu tun. Im schlimmsten Fall müssen die Diplomaten - wie nun nach dem jüngsten Mord in Ghor - dafür sorgen, dass die Leichen der Urlauber in die Heimat geschafft werden.

Derzeit beschäftigt neben dem Opfer aus Ghor noch ein weiterer Tourist die deutsche Vertretung in Kabul. Es handelt um einen Deutschen mit Rastazöpfen, der in einem umgebauten roten Feuerwehrauto unterwegs ist. Spektakulärer kann man sich im Konfliktgebiet - wo westlichen Ausländern zu größtmöglicher Unauffälligkeit geraten wird - kaum fortbewegen.

Der Urlauber mit seinem feuerroten Wohnmobil kam in Kabul an, als die Hauptstadt während der Beerdigung des ermordeten Ex-Präsidenten Burhanuddin Rabbani in Alarmbereitschaft war. „Ein verrückter Deutscher fuhr am Freitag mit einem Feuerwehrauto durch Kabul, als alle Straßen wegen Rabbanis Begräbniszeremonie gesperrt waren“, sagte Kabuls Polizeichef Ayob Salangi der dpa. „Meine Leute stoppten ihn.“ Dass er nicht kurzerhand festgenommen wurde, habe der Mann der deutschen Botschaft zu verdanken. Sie habe ihn angerufen, sagte der Polizeichef - und ihn gebeten, „den Hippie gehen zu lassen“. (dpa)