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Urlaub bei Robotron

Die Cityherberge eröffnete 1995. Inzwischen ist die Auslastung überdurchschnittlich. Das Hostel punktet mit Preis und Lage.

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© Norbert Neumann

Von Lars Kühl

Wenn die Cityherberge heute ihr 20-Jähriges feiert, denken die meisten Dresdner, eine der größten Jugendherbergen der Stadt hat Geburtstag. Doch anders als beispielsweise das Jugendgästehaus in der Maternistraße hat die Unterkunft in der Lingnerallee 3 diesen Status nicht. Dabei sollte sie ursprünglich ein Bettenhaus für auswärtige Angestellte und Arbeiter werden, erinnert sich Heidemarie Schnabel. Sie gehört als Mitgesellschafterin zur Lingner Stadt Immobilien GmbH, die den Gebäudekomplex auf dem ehemaligen Robotron-Areal betreibt. Die Idee, in den alten Büros Zimmer einzurichten, war geboren. Weil es neben der Zentrumslage vor der Haustür unter anderem noch das Arnhold-Bad und eine Disco gab, erschien eine Jugendherberge noch idealer.

Allerdings scheiterte der Plan an der Mitgliedschaft im Jugendherbergswerk und am Widerstand der Stadt. Also entschloss sich die Lingner Stadt, ein preiswertes Hostel mit Hotelzimmern einzurichten. Als das Haus im Juli 1995 eröffnete, gab es auf zwei Etagen knapp 70 Zimmer. „Mit dem Namen Cityherberge wollten wir eigentlich nur zeigen, dass es ein günstiges Angebot ist“, sagt Schnabel.

In den letzten zwei Dekaden hat das Haus seinen Platz in Dresdens Hotelbranche gefunden. Inzwischen sind vier Etagen ausgebaut. Es gibt 134 Zimmer, die meisten 14 oder 28 Quadratmeter groß, für 300 Gäste. Übers Jahr erreiche man eine 70- bis 80-prozentige Auslastung, rechnet Manuela Gey vor. Sie wurde in der Lingner-Stadt ausgebildet und ist wie viele der heute 50 Angestellten schon jahrelang in der Gesellschaft. Vor zwei Jahren übernahm Gey die Hotelleitung von Heidemarie Schnabel. Mit der Auslastung liege die Cityherberge über dem Durchschnitt. Immer wieder neue Konkurrenz, wie demnächst das geplante Hostel im Palais Hoym am Neumarkt, fürchtet die Direktorin nicht. Eng wird es in der Cityherberge von Mai bis Oktober und bei vielen Veranstaltungen. „Wenn nächste Woche Helene Fischer kommt, sind wir komplett ausgebucht. Bei Roland Kaiser sowieso.“

Die Gäste reisen nicht nur wegen der moderaten Preise an. Diese beginnen ab 21,50 Euro pro Person im Doppelzimmer, die im dynamischen System, das sich an der Auslastung orientiert, bis zu 47 Euro steigen können. Sie schätzen auch die ideale Lage als Ausgangspunkt zur Stadtbesichtigung. Und die schlichte Funktionalität in den Zimmern, die je nach Standard über ein eigenes Bad und einen Fernseher verfügen, oder eben nicht. „Wir hatten mal eine Seniorenfrauengruppe aus den Altbundesländern bei uns. Deren Handtaschen waren einzeln mehr wert als unsere Zimmereinrichtung“, erinnert sich Heidemarie Schnabel. „Aber die hatten einen Heidenspaß in unserem Fünf-Bett-Zimmer.“ Außer dem Fahrstuhl, der die DDR überlebt hat, erinnert auf den Gängen wenig an den früheren Büroalltag. Das Etagenbad und die moderne Gemeinschaftsküche zum Selbstkochen genügen einfachen Touristenansprüchen. Ein Aufenthaltsraum neben der Lobby und der Frühstückssaal im Nachbargebäude runden das Hostel-Angebot ab.

Gerade checken eine Handvoll Jugendliche und ein älteres Ehepaar ein. „Eine Zielgruppe haben wir nicht“, sagt Gey. Es ist eher so, dass das Personal Stammgäste gewinnen will. Deshalb geht es in der Cityherberge sehr persönlich zu. Damit hat die Unterkunft auch harte Zeiten wie das Jahrhunderthochwasser 2002 überstanden. Damals sei das Haus voll mit Familien, die keine Wohnung mehr hatten, gewesen, sowie mit THW-Leuten und anderen Helfern, erzählt Schnabel. „Nachts haben wir die Wäsche gewaschen.“ Als viele in Dresden noch gejammert hätten, haben die Mitarbeiter Fotos von der Stadt gemacht und verschickt. „Wir wollten zeigen, dass Dresden wieder besucht werden kann“, sagt die 65-Jährige. Auch als die Pegida-Bewegung dieses Jahr im ersten Quartal die Region in Atem hielt, blieben die Besucher aus. „Wir haben schon gemerkt, dass da in der Stadt irgendetwas war“, erklärt Gey. „Mittlerweile hat sich das wieder eingepegelt.“

In die Zukunft blicken die beiden Frauen erwartungsvoll. Obwohl ein Abriss des Büro-Komplexes nach dem Verkauf des Robotron-Areals an das Kasseler Unternehmen Immokles AG im Raum steht, um Platz für Wohnungsneubauten zu schaffen, befürchten sie vorerst keine Auswirkungen auf die Cityherberge. Es gebe einen langfristigen Mietvertrag mit einer Laufzeit von über zehn Jahren. „Ich gehe fest davon aus, dass wir auch unser 30-Jähriges feiern können“, sagt Gey.

Stolz erzählt die 36-Jährige vom neuen Geschäftsfeld. Weil die Hotelküche die Kapazitäten hat, hat das Hostel im Juni begonnen, auch einen Kindergarten zu beliefern. Das Zustandekommen der Zusammenarbeit sei Zufall gewesen. Jetzt werden wochentäglich 180 Portionen mehr gekocht.