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Unvollständige Akten im Prozess gegen Jugendpfarrer König

Diskussionen über Polizeivideos und angebliche Aktenunterdrückung bestimmen den Tag im Gericht. Möglicherweise könnte sogar Sachsens Innenminister vorgeladen werden.

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© dpa

Von Petra Strutz, dpa

Dresden. Wie ein roter Faden hat sich die Fehde zwischen Verteidigung und Anklage durch den dritten Tag des Prozesses gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König gezogen. Grund waren nicht aktenkundige frühere Vernehmungen von Zeugen und ein geladener Polizist, der die Sachlage nicht kannte und nichts zur Erhellung der Vorwürfe gegen König beitragen konnte. Nach Ansicht der Verteidigung hat die Staatsanwaltschaft am Montag auch mit Polizeivideos nicht belegt, dass der Pfarrer bei einer Anti-Nazi-Demonstration in Dresden aus einem Lautsprecherwagen zu Attacken gegen Polizisten aufgerufen hat.

König wird unter anderem schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Der Pfarrer bestreitet das, er will am 19. Februar 2011 vielmehr Demonstranten zur Mäßigung aufgefordert haben, als sich diese einem massiven Polizeiaufgebot gegenübersahen. Bei den von Gewalt überschatteten Protesten gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten waren mehr als 100 Polizisten verletzt worden.

Das Gericht sah sich einen halbstündigen Zusammenschnitt von Polizeivideos und weitere Einzelsequenzen an. Sie zeigten, wie teils vermummte Demonstranten südlich des Dresdner Hauptbahnhofes am Vormittag Polizisten gegenüberstanden und Absperrungen gewaltsam durchbrechen wollten. Dokumentiert wurde auch, wie Polizisten den Demonstranten Transparente abnahmen, Pfefferspray einsetzten und einen Wasserwerfer vorfuhren - um ein Aufeinandertreffen der Demonstranten mit Rechtsextremen zu verhindern. „Keine Gewalt“-Rufe von Demonstranten waren zu hören, als die Lage eskalierte.

Nach Ansicht der Verteidigung gingen die Polizisten willkürlich vor, ohne vorher mäßigend auf die Demonstranten einzuwirken. Entgegen den bisherigen Zeugenaussagen von Polizisten hätten die Beamten damals nicht mit den Demonstranten kommuniziert. Die Videos belegten die recht unscharfen Angaben der Polizisten nicht, so die Verteidigung. Ein Gewaltaufruf Königs sei nicht zu hören gewesen.

Dazu wurde einer der beiden geladenen Berliner Polizisten auch ausgiebig befragt. Der 34-Jährige berief sich in seiner Vernehmung zumeist auf eigene frühere Aussagen und Angaben von Kollegen, die er gehört hatte. Der Beamte konnte sich nicht erinnern, was genau aus dem Lautsprecherwagen heraus gesagt worden war. Dabei stellte sich heraus, dass er bereits zweimal zu den Ereignissen am 19. Februar befragt worden war - allerdings finden sich in den Ermittlungsakten nur Angaben zu einer Vernehmung. Gleiches berichtete der zweite geladene Zeuge, der nur kurz befragt wurde. Er war nicht direkt am Ort des Geschehens, um das sich der Prozess rankt.

Verteidiger Johannes Eisenberg warf daher der Staatsanwaltschaft wie schon an den vorherigen beiden Prozesstagen schlampige Ermittlungen und Aktenunterdrückung vor. Als Staatsanwältin Ute Schmerler-Kreuzer anbot, den fehlenden Unterlagen nachzugehen, erntete sie Gelächter aus dem Zuschauerraum. Der Vorsitzende Richter Ullrich Stein drohte, den Saal auf Antrag der Staatsanwältin räumen zu lassen. Zuvor hatte Eisenberg mehrfach versucht, die Staatsanwältin lächerlich zu machen.

Der Prozess wird am 28. Mai fortgesetzt. Dann könnte über mehrere Beweisanträge entschieden werden. Die Staatsanwältin will, dass ein Polizist erläutert, wo es am 19. Februar 2011 in Dresden sogenannte Aufenthaltsverbotszonen gab. Die Verteidigung beantragte deswegen, Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) als Zeugen zu laden - der hatte auf eine Parlamentarische Anfrage hin erklärt, dass es solche Zonen nicht gab. Von dieser Zone ist in der Anklage die Rede. (dpa)