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Unterwegs im AfD-Kernland

Rathmannsdorf ist Elbsandsteingebirge, eine kleine Gemeinde in sächsischem Landschaftsschutzgebiet. Rathmannsdorf ist auch: Kernland der AfD.

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© dpa

Martin Fischer

Rathmannsdorf. „Natürlich war die Wahl Thema bei den Kunden heute Morgen“, sagt die Verkäuferin hinterm Tresen der Bäckerei in Rathmannsdorf bei Bad Schandau in der sächsischen Schweiz. „Aber vor allem, weil die Zeitungen nicht rechtzeitig da waren“, erläutert die 52-Jährige. An einem kleinen Tisch im Laden ärgert sich ein Kunde über das schlechte Abschneiden seiner CDU bei der Bundestagswahl. „Aber das war abzusehen. Hier hat es schon die ganze Zeit gebrodelt.“

Rathmannsdorf, das sind etwa vier Quadratkilometer im Elbsandsteingebirge. Die Gemeinde ist Teil eines Landschaftsschutzgebietes, etwa Tausend Einwohner zwischen zwei Bereichen des Nationalparks „Sächsische Schweiz“. Die Arbeitslosenquote im Kreis liegt mit 5,3 Prozent noch besser als der für Ostdeutschland ohnehin gute sächsische Schnitt.

Rathmannsdorf ist auch: Kernland der AfD. Die Gemeinde gehört zum Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge - unter Einheimischen kurz SOE genannt. In diesem Kreis holte die AfD nicht nur das beste Landesergebnis. Hier gewann die AfD-Landes- und Bundesvorsitzende Frauke Petry auch ihr Direktmandat für den Bundestag, in den sie nun im Zwist mit dem Rest der Partei als fraktionslose Abgeordnete einziehen wird.

Und in Rathmannsdorf gab es mit 43,9 Prozent der Stimmen die meisten für die AfD im ganzen Wahlkreis. 46,2 Prozent der gut 770 Wähler gaben Petry ihre Erststimme und sorgten so mit dafür, dass der langjährige CDU-Abgeordnete Klaus Brähmig sein Direktmandat verlor.

„Das war ganz klar ein Denkzettel“, konstatiert die Bäckereiverkäuferin. Grund sei neben der Flüchtlingspolitik auch die ungerechte Verteilung gewesen. „Wir haben hier auch Armut, auch bei uns gibt es Kinder, die nichts haben“, sagte die 52-Jährige.

Auf die Frage, warum dann die AfD habe punkten können und nicht etwa die SPD, die sich das Thema soziale Gerechtigkeit doch auf die Fahnen geschrieben habe, zuckt sie mit den Schultern. Die etablierten Parteien hätten das „für die Bürger nicht so rüberbringen“ können. Außerdem sei Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat ja auch erst relativ spät auf der Wahlkampfbühne erschienen.

Das starke Ergebnis der AfD lässt sich im Straßenbild von Rathmannsdorf nicht so ohne weiteres erklären. Vor allem NPD, aber auch Linke und CDU haben plakatiert. In dem kleinen Ort findet sich erst nach langer Suche ein AfD-Plakat. Vor dem offenkundig seit Jahren nicht mehr genutzten Bahnhofsgebäude gleich neben dem Wahllokal im Gemeindeamt hängt Frauke Petry mit ihrem jüngsten Sohn Ferdinand an einer Laterne.

Davor steht ein älterer Herr mit Regenschirm und schaut zu dem Petry-Bild empor. Weitere Wahlwerbeplakate der AfD? „Die sind schon alle weg“, sagt er. Mehr will er lieber nicht sagen, nur: „Ich bin nicht für die AfD.“ Deshalb wolle er sich auch nicht vor dem Konterfei Petrys fotografieren lassen.

Der Wahlerfolg der 42-Jährigen in SOE sei „ein kleiner Erfolg“, meint Hans Vorländer, Politik-Professor an der TU Dresden. „Inwiefern sie damit Mehrheiten in der Partei verändern kann, muss man noch sehen.“ Der Einzug des umstrittenen Dresdner Richters Jens Maier über die Landesliste „zeigt ja die Spaltung der AfD in den völkisch-nationalistischen und den - sagen wir mal - sehr konservativen Teil.“ Insofern könne nicht gesagt werden, „dass nun Frau Petry durch den Erfolg in Sachsen generell gestärkt ist“.

Große Probleme sieht Vorländer für die in Sachsen seit der Wende regierende CDU, deren Verluste „in diesem Ausmaß schon überraschend“ seien. Nun werde offenkundig, „dass die Menschen sich nicht mehr mit der CDU Sachsen identifizieren“. Die Wähler hätten der Partei „eine schallende Ohrfeige verpasst, indem sie der AfD als Partei des Protests, der Empörung und der Wut ihre Stimme gegeben haben“.

Er glaube zwar nicht, dass es bei der Landtagswahl 2019 erneut so desaströs sein werde, sagt Vorländer. „Aber die Situation für die CDU ist hier schon ziemlich eng und bedrohlich geworden.“ (dpa)