Merken

Unterricht mit Flüchtlingen

Achtklässler der Ralbitzer Oberschule kamen jetzt mit Asylbewerbern ins Gespräch. Und verschenkten Spielzeug.

Teilen
Folgen
© René Plaul

Von Manuela Reuß

Die Beklommenheit war nicht zu übersehen. Ahmed Husin knetete seine Hände. Yazan Othman wippte pausenlos mit seinem rechten Bein, seine Augen wanderten nervös umher. Und auch das Ehepaar Alsafouri blickte zunächst ein wenig verkrampft in die Runde. Kein Wunder. Rund drei Dutzend Mädchen und Jungen und eine gute Handvoll Pädagogen beobachten die vier Flüchtlinge und ihren Dolmetscher mit verlegener Neugier.

Die Ralbitzer Schüler übergaben den Flüchtlingen Spielzeug, welches sie für Kinder in den Asylbewerberheimen gesammelt hatten.
Die Ralbitzer Schüler übergaben den Flüchtlingen Spielzeug, welches sie für Kinder in den Asylbewerberheimen gesammelt hatten. © René Plaul

Doch die Unsicherheit auf beiden Seiten verflog schnell. Michael Walde erzählte den zwei jungen Syrern und dem lybischen Ehepaar, womit sich seine Schützlinge in den zurückliegenden Wochen beschäftigten. Der Pädagoge, der eigentlich mal für die Fachkombination Biologie/Chemie ausgebildet wurde, unterrichtet inzwischen Informatik und WTH, also Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft. In seinem Unterricht lernen die Achtklässler, wie man eine Powerpoint-Präsentation am Computer erstellt. Um das Ganze auch mit Inhalt zu füllen, verknüpfte der Pädagoge die Technikaufgabe mit der allgegenwärtigen Flüchtlingsthematik. Die Mädchen und Jungen mussten sich also ganz praktisch mit dem Thema auseinandersetzen, recherchieren und am Ende einen Vortrag dazu halten.

Aktuelle Themen gehören zum Unterricht

Doch weil alle Theorie nun einmal grau ist, schlug Michael Walde den Achtklässlern vor, Asylbewerber in den Unterricht einzuladen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Die Idee fand sofort großen Anklang. Umsetzen ließ sie sich allerdings nicht ganz so einfach. Etliche Telefonate waren nötig, bis der Lehrer endlich die Nummer von Youssef Majdalani bekam. Der seit sieben Jahren in Wetro lebende 29-jährige Libanese, der ehrenamtlich als Dolmetscher tätig ist, nahm Kontakt zu Flüchtlingen im Asylbewerberheim in Holscha auf, fragte, wer gern mit den Ralbitzer Schülern ins Gespräch kommen würde.

„Für uns ist es Alltag, dass wir in zwei Kulturen leben – in der deutschen und in der sorbischen“, erklärte Michael Walde den Gästen. Jetzt komme man mit weiteren Kulturen in Kontakt. Aus Gründen, die eigentlich sehr leidvoll seien. Als Unesco-Projektschule gehe es den Ralbitzern vor allem um gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder. Eine große Rolle spiele deshalb auch die Erziehung zu internationaler Verständigung und Zusammenarbeit. „Und wir beschäftigen uns auch mit solchen Themen, die gerade sehr aktuell sind.“ Beispielsweise mit der Asylproblematik.

15 Tage bis nach Deutschland unterwegs

Schließlich durften die Schüler Fragen loswerden. Aus welchem Grund die Vier nach Deutschland gekommen seien, wollte Thea wissen. „In ihren Ländern ist Krieg“, übersetzt Youssef Majdalani die Antwort der Flüchtlinge. Deutschland habe man als Zufluchtsort gewählt, weil es hier menschliche und gerechte Gesetze gebe, erklärt Samira Alsafouri. Übers Meer seien sie gekommen. Fast 500 Personen waren auf den Schiffen. 15 Tage dauerte es, bis sie ankamen. „Wir sind durch Wälder gelaufen, haben im Freien geschlafen.“ Das erstaunte Murmeln im Klassenraum spricht Bände.

Die Schüler wollten auch wissen, wie die Bedingungen im Asylheim sind und ob es sti

mmt, dass es Zwistigkeiten zwischen den verschiedenen Nationalitäten gebe?

In Holscha gebe es keinen Stress. Dort seien alle zufrieden, erzählen die Gäste.

Das leben ist mehr als essen und herumsitzen

Doch für Samira sei es nicht einfach. Sie ist allein unter mehr als 20 Männern. Momentan wohne noch eine Frau da, aber sie und ihre Familie dürften nicht bleiben. Außerdem verrät sie, dass die Männer gern arbeiten würden. Denn das Leben sei mehr als nur essen, trinken und herumsitzen. „Als was haben sie denn früher gearbeitet?“ Ihr Mann Djaser war Autoklempner, Ahmed Pizzabäcker und Yazan noch Student. Er wollte Englischlehrer werden. Wenn er nicht geflüchtet wäre, hätte er in den Krieg ziehen müssen.

„Wir Menschen sind uns alle ähnlich, nur die Sprache ist anders“, betont Samira. Deshalb wolle sie gern alle Fragen beantworten. Auch weil sie weiß, dass oft schlecht über Ausländer geredet wird. „Aber es sind nicht alle gleich.“

Vorurteile gab es auch bei einigen Schülern, „als wir begonnen haben uns mit der Thematik auseinanderzusetzen“, erzählte Michael Walde. Inzwischen habe da ein Umdenken eingesetzt. Und um zu zeigen, dass die Ralbitzer Unesco-Schüler anders denken und auch handeln, übergaben sie den vier Flüchtlingen einen großen Sack voller Spielzeug, den sie für die Kinder in Asylbewerberheimen sammelten. „Die Kinder haben zwar jetzt ein Dach über dem Kopf, aber das ist ja nicht alles.“ Gern würden die Ralbitzer mit den Flüchtlingen weiter in Kontakt bleiben. „Diese Aktion soll ja kein Strohfeuer bleiben.“