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Unter Hochspannung

Nach der Wende startete eine Abteilung aus dem Stahlwerk in die Selbstständigkeit – und baut heute für die ganze Welt.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Mit Kabeln und Isolatoren kennt sich Wolfgang Weber aus – seit Jahrzehnten sind elektrische Anlagen sein Geschäft. Hervorgegangen aus der Elektroabteilung des Stahl- und Walzwerks Riesa findet man Produkte des Unternehmens Elimo heute auf mehreren Kontinenten – etwa in riesigen Bergbaumaschinen der japanischen Firma Komatsu, die in Südamerika, Afrika oder Asien im Einsatz sind. Die größten dieser Bagger wiegen mehr als 750 Tonnen – fast so viel, wie 20 voll beladene Lastzüge.

Angetrieben werden sie von gewaltigen Dieselmotoren oder von Elektromotoren, die mehr Strom brauchen, als ein Akku liefern könnte. Sie ziehen deshalb dicke Kabel hinter sich her, die Strom mit 6 000 Volt Spannung übertragen können. Ein Schaltschrank in Zimmergröße ersetzt dann den Dieseltank im Minenbagger. Ein Exemplar wurde gerade erst an der Uttmannstraße fertig montiert. Während die Schalttafeln auf den Laien ähnlich wirken wie Anlagen in Kraftwerken oder Fabriken, überraschen die dick mit Dämmstoff überzogenen Wände und Türen. „Dieser Schaltschrank geht nach Russland“, erklärt Wolfgang Weber. „Dort muss die Technik auch bei minus 40 Grad funktionieren.“

Diese Kälte ist gerade schwer vorstellbar: Über dem Firmengelände von Elimo scheint bei gut 20 Grad die Sonne. Auf dem Areal, das früher zum Werksgelände des Stahlwerks gehörte, wurden einst die gefragten Seitenträger für MZ-Motorräder hergestellt, um die Konsumgüterproduktion der DDR zu steigern. Heute sind viel komplexere Dinge Made in Riesa gefragt: neben der Technik für japanische Riesenbagger etwa Umspannwerke für Windparks. Dafür sind die 30 Mitarbeiter von Wolfgang Weber deutschlandweit und darüber hinaus im Einsatz. „Dieses Jahr bauen wir 14 Umspannwerke“, sagt der Unternehmer. Ein Vierteljahr dauert die Montage und alle zugehörigen Arbeiten an einem solchen Umspannwerk – kein Wunder, dass die Mitarbeiter von Montag bis Freitag meist auf Achse sind.

Auch so manches Stahlwerk kennen die Industrieelektroniker, Elektromonteure, Kabelmonteure von innen. Dabei half die Erfahrung aus dem Riesaer Stahlwerk, mit der man am 22. Juli 1991 in die Selbstständigkeit startete. Erster Auftrag im Juli 1991 war eine Montage in einem Stahlwerk in Charleroi/Belgien. Dort bekamen die Riesaer erst einmal einen Schock: Denn in Charleroi wechselte gerade die Schicht. Die Arbeiter kamen aus dem Werk und setzten sich so dreckig in die Autos, um nach Hause zu fahren, wie sie von der Schicht kamen. „Das kannten wir aus Riesa nicht!“, erinnert sich Wolfgang Weber.

Jeden Monat Lohn gezahlt

Dafür war es in den ersten Jahren schwer, sich am Markt zu behaupten. Zu viele Firmen waren gleichzeitig in die Selbstständigkeit gestartet. „Dennoch haben wir unseren Mitarbeitern jeden Monat ihren Lohn gezahlt“, sagt der 67-Jährige. Erst ab dem Jahr 2000 sei die Situation deutlich leichter geworden. Seitdem könne man sich über die Auftragslage nicht beschweren. „Zufriedene Kunden kommen immer wieder.“ Aus anfangs 15 Mitarbeitern wurde die doppelte Menge. Schwierig sei es allerdings, Nachwuchs zu finden. „Wer an Anlagen mit bis zu 30 000 Volt arbeiten will, braucht ein gutes Verständnis von Mathe und Physik.“

Idealerweise bildet Elimo – die Abkürzung steht für „Elektro-Industriemontagen“ – alle zwei Jahre einen Lehrling aus. Die Suche nach dem Nachfolger auf dem Chefsessel gestaltet sich aber noch ein ganzes Stück schwieriger. „Meine Söhne haben abgewinkt, weil sie in der Schweiz und an der TU Dresden ihren Beruf gefunden haben“, sagt Wolfgang Weber.

Jetzt aber wird erst einmal gefeiert: Nach der Urlaubszeit steht ein Fest für das 25-jährige Bestehen von Elimo an. Das bildet dann auch den passenden Rahmen, um ein neues Kunstwerk auf dem Firmengrundstück aufzustellen: den von Andy Borg gestalteten Stahl-Andy, der jahrelang vor der Arena stand und nun zugunsten des Kinderhilfswerks versteigert wurde. „Wir haben seinerzeit schließlich auch die Elektroinstallation der Sachsenarena übernommen“, sagt Wolfgang Weber, der auch mal ganz gern Schlager hört. Und so bleibt die Skulptur doch in der Stahlstadt – dort, wo sie 2009 geschaffen wurde.