Merken

Unter den Tisch gekehrt?

Missbrauchsvorwürfe haben die Dresdner Parkeisenbahn erschüttert. Überrascht hat das einige Verantwortliche anscheinend nicht, wie neue Hinweise zeigen.

Teilen
Folgen
© dpa/Arno Burgi

Von Tobias Wolf

Wer wusste wann was über den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch und andere Übergriffe gegenüber Kindern bei der Dresdner Parkeisenbahn? Dieser Frage gehen nun die Staatsanwaltschaft und ein externer Sachverständiger nach.

Im Dezember war bekannt geworden, dass ein heute 17-jähriger Junge über Jahre von Tilo H., einem Mitarbeiter der Parkeisenbahn, sexuell missbraucht worden sein soll. Der Mann war bereits im Mai wegen der Vorwürfe suspendiert worden und hatte sich anschließend umgebracht.

Die zuständige Schlösserverwaltung hat nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung über weitere Verdachtsfälle Strafanzeige wegen Vertuschens einer Straftat erstattet. Alle Beschäftigten sind angewiesen, die Ermittlungen zu unterstützen. Die Schlösserverwaltung hatte zunächst bestritten, von den Vorgängen Kenntnis zu haben. „Leider gibt es jemanden aus dem Umfeld der Parkeisenbahn, der über eine Liste mit zahlreichen weiteren Vorwürfen verfügt, sie uns aber nicht zur Verfügung stellt“, sagt Uli Kretzschmar, Sprecher der Schlösserverwaltung.

Die Dokumentation eines Parkbahn-Mitarbeiters, die der SZ vorliegt, listet mutmaßliche Übergriffe und Grenzverletzungen gegenüber Kindern seit dem Jahr 2006 auf. Darunter auch den Fall eines Lokführers, der mit einem 15-jährigen Mädchen Sex gehabt haben soll. Entgegen den Angaben der Schlösserverwaltung habe er immer wieder auf Missstände hingewiesen, behauptet der Mann, der die Liste verfasst hat. Im Zusammenhang mit einer Strafanzeige im Jahr 2014 habe es ein Gespräch gegeben, in dem er dem Parkbahn-Leiter und dem zuständigen Geschäftsstellenleiter des Großen Gartens die Fälle schilderte. Ein Protokoll über das Treffen habe er nicht erhalten. Bei einem zweiten Gespräch sollte die Liste übergeben werden.

Der Schlösserbetrieb behauptet, der Mitarbeiter habe auf Nachfrage keine Fälle konkretisiert und keine Namen genannt. Wie aber aus einer vom Parkbahn-Chef unterschriebenen Gesprächsnotiz hervorgeht, benannte der angeblich so schweigsame Mitarbeiter konkret Tilo H. und mindestens fünf weitere Männer sowie Vorfälle mit Kindern. Er notierte auch, dass nach Angaben des Mitarbeiters drei Angestellte der Parkbahnleitung nach Hinweisen nichts unternommen hätten, Missstände „von den Verantwortlichen unter den Tisch gekehrt“ würden. Zu einem zweiten Gespräch sei es trotz Nachfrage nicht gekommen, sagt der Mitarbeiter.

Dafür gab es drei Wochen später einen Termin der Parkbahnverantwortlichen mit Shukura, der Fachstelle zur Prävention sexualisierter Gewalt bei der Arbeiterwohlfahrt. Wie der Parkbahn-Chef notierte, ging es dabei allgemein um die Vorbeugung von sexueller Gewalt gegenüber den Parkbahn-Kindern, nicht um konkrete Vorwürfe. Über eine Zusammenarbeit mit Shukura sollte demnach im November 2014 eine Entscheidung fallen. Fakt ist, dazu kam es erst, nachdem der heute 17-Jährige 2016 gegen seinen Peiniger Tilo H. Anzeige erstattete. Diesen Namen kannten die Verantwortlichen da schon länger.