Von Thomas Morgenroth
Freital. Glückauf!“, sagt Wieland Büttner, und dann fährt er mit seinen behelmten Besuchern in den Windberg ein. In demütig-gebückter Haltung, denn das Mundloch ist nur anderthalb Meter hoch. „Männer mit preußischem Gardemaß sollten auf ihren Kopf aufpassen“, flachst Büttner mit Blick auf den Fotografen, wobei selbst dieser schon nach wenigen Metern weitgehend aufrecht stehen kann. Ein langer schmaler Gang verliert sich in der Dunkelheit, nur schwach von Büttners Geleucht am Helm erhellt. Es ist feucht und kühl. Unter den Füßen, die auf Gitterrosten stehen, fließt ein kleiner Bach.
Wir befinden uns in einer Rösche, einem unterirdischen Wasserleitungsbauwerk, das 1856 bis 1858 von Bergleuten weitgehend in Handarbeit mit Schlegel und Eisen bergmännisch aufgefahren wurde. Nach 320 Metern traf der Stollen in 128 Metern Tiefe auf den Segen-Gottes-Schacht der Freiherrlich von Burgker Steinkohlen- und Eisenhüttenwerke. Bis 1916 diente die Rösche der Entwässerung der Grube sowie der Gewinnung von Brauch- und Kesselwasser, das zu den Dampfmaschinen in dem auf der Höhe stehenden Schachtgebäude gepumpt wurde – ebenfalls mit Dampfmaschinen. Heute sammelt die Rösche nur noch Sickerwasser aus dem Windberg, das in den Poisenbach fließt.
Der von der Straße kaum auszumachende Eingang befindet sich neben einem Mehrfamilienhaus in Niederhäslich im Poisental. Nur einmal im Jahr öffnet sich das Eisentor für Besucher – zum Tag des offenen Denkmals. Wer also eines der letzten originalen Zeugnisse des Steinkohlenbergbaus im Döhlener Becken hautnah erleben möchte, sollte sich diesen Sonntag vormerken. Der Bergbau- und Hüttenverein Freital, dessen Vorsitzender Wieland Büttner seit 2014 ist, lädt zu Führungen ein – und zur Verköstigung mit Bieren, die „Glückauf“ und „Schwarzer Steiger“ heißen.
Die Tipps zum Denkmalstag
Dem 1999 gegründeten Verein ist es zu verdanken, dass die Rösche überhaupt besichtigt werden kann. Während das Mundloch 1935 noch als solches vorhanden war, zeigt ein Foto aus dem Jahre 1972 nur noch ein ebenes Waldstück mit einem quadratischen Einstiegsschacht im Boden, den die Wismut für Kontrollzwecke angelegt hatte. „Der gesamte Eingangsbereich war mit Siedlungsmüll zugeschüttet“, erinnert sich Büttner, der den Verein damals als historisch interessierter Buchhändler mitgegründet hatte, ohne sich zuvor mit dem Bergbau wirklich befasst zu haben. Mittlerweile kennt er sich aus. „Es ist mein liebstes Hobby geworden“, sagt der 60-Jährige.
Über die Rettung der Rösche im Poisental ist der Verein gewachsen. Die Anstrengungen, finanziert mit Fördermitteln, Zuschüssen der Stadt Freital und der Wismut, waren immens. Der Eingangsbereich wurde freigegraben, die Sandsteinmauern wieder aufgebaut, das aus der Rösche fließende Wasser in Rohren unter der Straße durch zum Poisenbach geleitet und die ersten achtzehn Meter des Stollens so ausgebaut, dass er begehbar ist. Zunächst mit Holz wie vor 150 Jahren, das allerdings alle fünf Jahre getauscht werden musste.
In diesem Jahr läuft der Besucher erstmals über verzinkten Stahl. „Es ist zwar nicht ganz stilecht, aber praktisch“, meint Büttner, der am Sonntag – dann hat er die nötigen Kabel dafür – auch die Lampen anstellt, die den Stollen 70 Meter tief erhellen. Dort dürfen sich die Gäste nicht nur auf launige Geschichten zum Bergbau freuen. Büttner weiß auch, was vulkanische Bomben sind – und erzählt von der Schachtmücke Oskar. Glückauf!
Rösche Segen-Gottes-Schacht, Poisentalstraße 152 in Freital, Führungen am 10. September von 10 bis 17 Uhr.