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„Unseren Tieren geht es gut“

Vor dem Weihnachtszirkus in Dresden wird demonstriert. Direktor und Dresseur wehren sich gegen den Vorwurf der Quälerei.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch

Hingebungsvoll neigt Mombasa ihren Kopf und lässt ihren Hals von Marek streicheln. Ihre Augenlider werden schwerer und schwerer. Es scheint fast so, als wären die Zebrakuh und der Tierlehrer erleichtert. Darüber, dass sie bislang nicht von Demonstranten auf dem Volksfestgelände empfangen wurden. Marek Jama ist Chefdresseur des niedersächsischen Zirkus Charles Knie und am Montag mit mehr als 40 Tieren zum Dresdner Weihnachtszirkus gereist. Mit Tierschützern ist er in den letzten Jahren in fast jeder Stadt konfrontiert gewesen. Und Dresden macht keine Ausnahme, auch wenn es am Dienstagmorgen noch ruhig an der Pieschener Allee scheint.

Für diesen Mittwoch ruft die Gruppe „Tierbefreiung Dresden“ ab 17 Uhr zur Kundgebung am Weihnachtszirkus auf – es ist der Premierenabend. Die Aktivisten wollen für einen Zirkus komplett ohne Tiere demonstrieren, schreiben sie in ihrem Aufruf. Die rot-grün-rote Stadtratsmehrheit berät derzeit über ein Verbot von sechs Wildtierarten für Zirkusse, die auf öffentlichen Flächen in Dresden gastieren wollen. Es geht um Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner, Nilpferde und Menschenaffen. Die Organisation Peta hat sich am Montag an die Stadträte gewandt und fordert sie auf, auch Löwen und Tiger auf die Liste zu setzen. „Für die Tiere ist Weihnachten keine Festzeit, denn sie bezahlen einen hohen Preis für das kurze, zweifelhafte Vergnügen der Zirkusbesucher“, sagt Peter Höffken von Peta. „Auch Dresden sollte Tierquälerei einen Riegel vorschieben.“

Weihnachtszirkus-Direktor Mario Müller-Milano weist den Vorwurf der Tierquälerei scharf von sich. Deutschland habe das strengste Tierschutzgesetz und die härtesten Tierhalterrichtlinien, die es gibt, sagt er und kündigt an, gegen das Verbot zu klagen, sollte es zustande kommen. Für ihn gehören Tiere zum Zirkus einfach dazu, sagt er. Bei der Auswahl der Nummern achte er immer auf eine liebevolle Beziehung zwischen Mensch und Tier. Der Weihnachtszirkus füttert täglich 300 Kilogramm Heu und Stroh, 25 Kilogramm Fisch für die Seelöwen und 80 Kilogramm Fleisch für Raubtiere, zählt er auf.

Das Festgelände hat er am Dienstag für Journalisten geöffnet, auch um zu zeigen, dass es den Tieren gut geht. Die insgesamt 19 Pferde und Ponys zum Beispiel sind in einem Zelt untergebracht, in dem Boxen eingerichtet wurden. Sie sind etwa 20 Quadratmeter groß, auf dem Boden liegt üppig Stroh. In jeder Box gibt es eine Tränke. Rückendecken wärmen die Tiere. Nun soll noch die benachbarte Wiese zur Koppel hergerichtet werden.

Auch vier Zebras, fünf Kamele, sechs Rinder, sieben Lamas und ein Känguru wohnen für zwei Wochen am Ostragehege. Weniger optimal: Im Freien laufen sie mit ihren Hufen nicht auf naturnahem Boden, sondern auf Pflastersteinen. Marek Jama wird nicht müde, die Tierhaltung in Zirkussen zu verteidigen. „Wir sind keine Tierquäler, wir leben mit den Tieren und machen nichts Falsches“, sagt er.

Die Tiere hätten keinen anstrengenden Job, ihnen gehe es gut und sie hätten ein schönes Leben. Zwischen 8 und 10 Uhr probt er mit ihnen. Und pro Vorstellung stünden sie für etwa fünf Minuten in der Manege. Zwei Auftritte haben sie täglich. „Den restlichen Tag erholen sie sich.“

Streicheleinheiten und ein respektvoller Umgang seien für ihn das Wichtigste, wenn er mit seinen Tieren arbeite. „Anders könnte ich gar keine Verbindung zu ihnen aufbauen“, sagt der Dresseur. Als Fürsprecher hat er den Tierverhaltensforscher Immanuel Birmelin gewonnen, der die Selbsterkenntnis afrikanischer Elefanten im Spiegel nachgewiesen hat. „In einem guten Zirkus werden die Tiere körperlich und geistig gefordert“, sagt der Biologe und mahnt zu einer differenzierten Betrachtung in der aktuellen Verbotsdebatte. Aus verhaltensbiologischer Sicht gebe es keinen Grund, Elefanten oder Raubtiere im Zirkus zu verbieten. Ein Gehege, das dem Spieltrieb aller Tiere gerecht wird, könne dagegen kein Zirkus dieser Welt finanzieren, so Birmelin.

Dresdens Tierschützer können damit nicht überzeugt werden. Die gültigen Regeln für Zirkustiere bezeichnet Matthias Bernickel von „Anima“ als absolute Mindestanforderungen. Wildtiere könnten in Zirkussen gar nicht artgerecht gehalten werden, Gefangenschaft und Wildnis würden sich nun einmal ausschließen, sagt er.

Mario Müller-Milano versucht es mit Transparenz. Besuchern gewährt er in der Pause einen Blick hinter die Kulissen und zeigt, wie die Tiere auf ihre Auftritte vorbereitet werden. Die angekündigten Demonstrationen auf der anderen Straßenseite bezeichnet er als gutes Recht der Teilnehmer.