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„Unsere Situation ist prekär“

Die Bannewitzer Feuerwehr braucht dringend Personal. Im Ernstfall können drei Ortswehren nicht helfen.

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© Oberthür

Bannewitz. Die Freiwillige Feuerwehr braucht Verstärkung. Aus diesem Grund rührte der Bannewitzer Gemeindewehrleiter Heiko Wersig bereits die Werbetrommel unter den Einwohnern – mit wenig Erfolg. Die Sächsische Zeitung hat nachgehakt.

Herr Wersig, kaum einer will zur Feuerwehr. Was ist da los?

Das wüsste ich auch gern. Wir haben alle Einwohner der zugeordneten Ortsfeuerwehren von Goppeln, Cunnersdorf und Bannewitz zwischen 18 und 40 Jahren zu einer unserer drei Info-Veranstaltungen eingeladen. Das waren 1 135 Personen. Davon sind gerade einmal 21 Einwohner unserer Einladung gefolgt. Besonders ernüchternd war es im Ortsteil Bannewitz. Von den 830 kamen nur sieben der Eingeladenen. Das hat mich enttäuscht.

Keine Zeit, kein Interesse?

Wir haben von den Einladungen, die wir verschickt haben, kaum Rückmeldungen erhalten. Natürlich ist nicht jeder für dieses Ehrenamt geeignet und mancher hat einen guten Grund, es abzulehnen. Meist wird aber nur Zeitmangel vorgeschoben. Dabei denke ich, Desinteresse trifft es eher. Sind wir doch ehrlich: Die meisten leben in ihrem eigenen Dunstkreis, sind mit Arbeit, Familie, Freunden und vielleicht noch einem Hobby ausgefüllt. Sich dann auch noch in der Feuerwehr zu engagieren …

… ist wohl zu anstrengend.

Möglich. Dabei vergessen viele, dass die Mitgliedschaft in der Feuerwehr auch eine Freizeitbeschäftigung ist, die Spaß machen kann, die die Gemeinschaft stärkt, die auch persönlich erfüllt und die – nicht zu vergessen – nützlich ist! Wir brauchen freiwilliges Engagement unserer Einwohner, um Menschen in Not zu helfen. Leider rückt dies meist nur dann in das Bewusstsein vieler, wenn sie selbst in Not geraten.

Wie kritisch ist die Lage in der Gemeinde? Gab es denn schon eine solche Situation, in der wegen Personalmangel nicht geholfen werden konnte?

Die Feuerwehren unterstützen sich gegenseitig, ort- und gemeindeübergreifend. Deshalb sind wir bisher glücklicherweise in keine bedrohliche Lage gekommen. Prekär ist die Situation aber allemal. Von unseren fünf Ortsfeuerwehren sind tagsüber drei Wehren nicht einsatzbereit. Besonders drastisch war es kürzlich am Standort Goppeln mit nur fünf Kameraden. Momentan sind wir wieder bei neun Mitgliedern. Laut sächsischer Feuerwehrverordnung müssten es aber 18 Mitglieder sein.

Warum das?

Ein Feuerwehrauto hat neun Sitzplätze und wir müssen die doppelte Anzahl an Einsatzkräften vorhalten. Es kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, dass jedes Mitglied zu jedem Notruf sofort in der Nähe und einsatzbereit ist. Abgesehen davon kann nicht jeder alle Aufgaben wahrnehmen, hat einen Lkw-Führerschein oder eine Ausbildung mit Atemschutztechnik absolviert. Dieses Personal ist im Fall eines Brandes aber dringend erforderlich. In Cunnersdorf beispielsweise gibt es derzeit niemanden, der das beherrscht. Personal von anderen Ortswehren müsste aushelfen. Jeder Notruf ist also praktisch immer ein Überraschungspaket. Und mit der aktuellen Personalsituation kein Schönes.

War diese Situation früher besser?

Die Personalsituation war besser. Wir haben heute vielerorts modernste Feuerwehrtechnik und Ausrüstung. Aber was nützt sie uns ohne ausreichend Personal? Es ist der Spiegel unserer Gesellschaft. Sicher sind in vielen Berufen die Arbeitsanforderungen gestiegen. Aber auch das Freizeitverhalten der Menschen hat sich geändert. Und natürlich, die Ausbildung zu Feuerwehrmann oder -frau ist zeitintensiv. 70 Stunden dauert die Grundausbildung. Danach folgen Spezialausbildungen.

Gibt es denn gar keinen Lichtblick?

Unser kleiner Lichtblick sind derzeit acht Mitglieder, die seit Ende vorigen Jahres Atemschutztechnik tragen dürfen. Die Ausbildung bis dahin dauert ein knappes Jahr. Gewonnen haben wir sie vor allem deshalb, weil sie aus unserer Jugendfeuerwehr nachgerückt sind.

Und Ihre jüngste Werbeaktion hat keinen Erfolg gebracht?

Keinen stimmt nicht. Immerhin sieben neue Mitglieder konnten wir für unsere fünf Ortswehren gewinnen. Darüber freue ich mich natürlich. Aber leider ist es zu wenig. Wir werden weiterhin Not haben, die Wegzüge und altersbedingten Rückgänge beim Feuerwehrpersonal auszugleichen.

Was wollen Sie dagegen tun?

Wir können weiter auf unser Problem aufmerksam machen und versuchen, Mitglieder zu gewinnen. Unsere drei Jugendfeuerwehren mit derzeit 42 jungen Leuten zwischen acht und 16 Jahren übernehmen dabei eine wichtige Rolle. Seit vorigem Sommer haben wir auch eine Kinderfeuerwehr, in der aktuell 13 Mädchen und Jungen mitwirken. Natürlich ist der Weg bis zum aktiven Feuerwehrmitglied da noch weit und wir müssen damit rechnen, dass die jungen Leute uns irgendwann berufsbedingt verlassen. Aber es ist ein Anfang. In den zugeordneten Ortsteilen Hänichen und Possendorf werden wir übrigens demnächst ebenfalls solche Aktionen durchführen.

Fügen sich die jährlichen Rauchmelderaktionen auch in die Reihe Ihrer Werbemaßnahmen?

In erster Linie geht es um Sicherheit. Leider gibt es in Sachsen erst seit 2016 nur eine Rauchmelderpflicht für Neu- und Umbauten. Für jedes neugeborene Kind in der Gemeinde schenken wir den Familien dank Sponsoren einen Rauchmelder. Seit Beginn der Aktion 2012 sind bisher 151 Rauchmelder verteilt worden. Die Aktion kommt gut an. Sicher geht es auch darum, die Menschen für das Thema Feuerwehr zu sensibilisieren und ihnen die Bedeutung dieses verantwortungsvollen Ehrenamtes bewusst zu machen. Ich wünsche mir, dass sich wieder mehr Menschen ihrem Umfeld öffnen und Hilfe leisten wollen. Gebraucht wird diese in jedem Fall.

Das Gespräch führte Verena Schulenburg.