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„Unsere Schwester ist ein Downie“

Sonnabend ist der 10. Welt-Down-Syndrom-Tag. Familie Hohmann aus Oberlichtenau feiert das. Aus gutem Grund!

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© René Plaul

Von Ina Förster

In Deutschland leben etwa 50 000 Menschen mit Trisomie 21. Klara ist einer davon. Die kleine Oberlichtenauerin hat das Down-Syndrom und ist mittlerweile sieben Jahre alt. Ihre Zwillingsschwester Augusta hat es nicht. Die Schwestern sind dennoch unzertrennlich. Auch wenn die Unterschiede zwischen beiden körperlich wie geistig fassbar sind: Klara ist viel kleiner und zarter als ihre gleichaltrige Schwester. Sie redet auch wie ein Baby, muss noch gewindelt werden. Aber lachen kann sie – das kommt direkt im Herzen an.

Als ihre Eltern Kati und Falk Hohmann während der Schwangerschaft erfahren, dass eines der Mädchen mit dem Gen-Defekt leben muss, ist das zuerst ein Schock. Sie sind damals schon Eltern von zwei gesunden Söhnen. Karl, der Große und Umsichtige, ist heute schon 15. Theodor, der Mittlere und Wirbelwind der Familie, wird bald zwölf. Die Familie ist damals also vorbereitet auf Zuwachs. Aber nicht so. „Und doch haben wir uns schnell auf die Geburt gefreut“, erzählt die 44-jährige Mama heute. Und man hat sich auf die Umstände eingestellt. Voller Liebe. Voller Zuversicht. Voller Zweifel teilweise. „Man lernt schnell um etwas zu kämpfen“, sagt der Vater. Obwohl man das Sozialsystem in Deutschland weitestgehend loben könne. Menschen mit dieser Behinderung haben das Chromosom 21 dreimal statt zweimal. „Da steckt mehr drin. Im wahrsten Sinne des Wortes“, lacht Kati Hohmann. Das Down Syndrom kann allerdings die Entwicklung und die Gesundheit leicht bis schwer beeinträchtigen. „Es ist ein bisschen wie ein Überraschungs-Ei, was du da bekommst. Darauf muss mann sich einstellen“, so Falk Hohmann.

Beides ist bei Klara der Fall. Eine schwere Herz-OP musste sie schon als Frühchen überstehen. „Dank der Pränataldiagnostik wussten wir aber zeitig, dass es so kommen wird und konnten uns moralisch darauf vorbereiten“, erzählt die Mama. Pränataldiagnostikerin Katrin Ladig aus Kamenz hat jahrelange Erfahrung auf diesem Gebiet. Und großes Einfühlungsvermögen, es den Betroffenen weiterzugeben. „Einfach“ geht trotzdem anders. Auch den Hohmanns musste sie vor acht Jahren die Diagnose überbringen. „Ein dickes Lob und Hochachtung noch heute an diese Ärztin“, sagt Kati Hohmann. „Sie hat uns sehr weitergeholfen.“ Noch heute bekommt sie jedes Weihnachten eine Karte von ihnen.

Leben mit Down-Syndrom ist lebenswert

In Zeiten der großen Diskussionen um Sinn und Unsinn der vorgeburtlichen Untersuchungen haben sie jedenfalls ihren Standpunkt gefunden: Ein Leben mit dem Down-Syndrom ist lebenswert! Klara ist der Beweis. Und das geben sie auch gern anderen Betroffenen weiter. Einige werdende Eltern mit Down-Syndrom-Diagnostik saßen schon bei den Hohmanns in der Küche und lernten Klara kennen. „So wird das Thema fassbar für viele. Und einfacher zu händeln“, weiß Falk Hohmann.

Aktuell ist die Siebenjährige gerade krank. Sie hat eine fiese Erkältung abbekommen. Wie Tausende andere Kinder. Die Nase läuft und nichts macht Spaß. Außer Videos gucken. Bunt und verständlich müssen die Trickfilme sein. Nicht zu laut, das macht ihr dann schnell keinen Spaß. Wegen ihr hat die Familie überhaupt einen Fernseher angeschafft. Zur Freude der Geschwister. Im Wohnzimmer kuscheln die sich gerade mit aufs Sofa. Vor allem Augusta ist gern in Klaras Nähe, umsorgt sie. Holt ihr zu trinken und Taschentücher. „Augusta hat den lieben Gott im Herzen“, sagt Mama Kati stolz und streicht ihr übers Haar.

Enorme Fortschritte in der Schule

Bis vor kurzem gingen die Zwillingsschwestern noch in eine Kita in Pulsnitz. Man hatte dort für Klara einen Integrationsplatz ergattert. Nun ist die Familie aber froh, dass die Zwillis nach drei Jahren Kindergarten eingeschult wurden. Augusta besucht die Grundschule in Oberlichtenau, Klara fährt täglich nach Kleinwachau in die Förderschule im Epilepsiezentrum. „Die Fortschritte, die sie seitdem macht, sind enorm“, freut sich Falk Hohmann. Und zeigt stolz die Schulmappe vor. Ein bisschen sei das momentan „wie der Himmel auf Erden“, formuliert es die Mutter. „Wir freuen uns über jeden Tag, der gut läuft. Und hoffen auf mehr!“ Wohin die Entwicklung geht, darüber wagt kein Arzt, kein Betreuer eine Prognose. Bruder Karl bringt es aber auf einen Punkt: „Wir mussten lernen, mit etwas zufrieden zu sein. Es akzeptieren. Unsere Schwester ist ein kleiner Downie. Und das ist gut so. Vieles wäre anderes in unserem Leben. Schlechter. Sie kann zwar nicht reden, aber dafür fährt sie Fahrrad, wie eine Verrückte. Ich muss aber auch verstehen, das mancher Berührungsängste hat“, sagt er. Wichtig sei für ihn, dass er auch mal sauer sein darf. Immerhin ist es seine Schwester und die muss man ja nicht jeden Tag gleich leiden können …