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Unser neues Zuhause

Seit einem Jahr lebt die syrische Familie Mefleh in Coswig. Die SZ hat sie erneut besucht – es gibt viele Veränderungen.

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© Anne Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Coswig. Als wir die syrische Flüchtlingsfamilie Mefleh vor reichlich einem Jahr in Coswig besucht haben, um den zehnjährigen Malek bei seinen ersten Schritten in der Grundschule zu begleiten, trafen wir einen schüchternen Jungen, der aufgrund der Fluchterfahrung und der neuen Umgebung ein wenig verängstigt wirkte.

Ein Jahr später ist davon nicht viel geblieben. Vor uns steht nun ein Junge, der uns in fließendem Deutsch selbstbewusst begrüßt und geduldig Fragen beantwortet. Sogar ein wenig Sächsisch spricht Malek schon. „Ich gehe jetzt auf die Leonhard-Frank-Oberschule“, stellt er gleich klar, als wir fragen, ob er noch die Grundschule um die Ecke besucht.

Auch zu seinen Lieblingsfächern hat der kleine Syrer eine klare Meinung: „Ich mag am liebsten Sport, Musik und Mathe.“ Ob die Schule denn Spaß mache, bejaht er zunächst, deutet dann aber an, dass es durchaus angenehmere Dinge gebe. Am Ende geht es ihm sicher so, wie vielen Kindern in seinem Alter. Und genau das ist ja auch die gute Nachricht: Malek ist ein Kind wie jedes andere. Er ist in seiner neuen Heimat angekommen und mag die Menschen, die Stadt und das Elbtal mit seinem mächtigen Fluss.

Gleiches trifft auf seine Eltern und seine Geschwister zu. Die Familie lebt in keiner Parallelwelt, sondern mitten in der Gesellschaft. So spielt Malek mit seinen zahlreichen Kumpels in der Schule gern Fußball, während sein Vater Naief in Radebeul ebenfalls die Fußball-Stiefel schnürt. Der 45-Jährige kann zwar noch nicht so gut Deutsch sprechen wie sein Sohn, erzählt aber auch schon begeistert von seinen Freunden Jürgen, Harald und Birgit.

Dass in den vergangenen Monaten trotzdem nicht immer alles einfach war, räumt er ohne Zögern ein: „Der Start war für mich sehr schwer, weil ich ja mit niemandem reden konnte“, sagt Naief Mefleh. Mittlerweile gebe es aber viele nette Menschen, die regelmäßig in der Wohnung im Plattenbaugebiet Dresdner Straße vorbeikämen. Als er vor wenigen Wochen auf den Beginn seines neuen Deutschkurses an der Volkshochschule wartete, zeigte sich dies einmal mehr. Damals sagte Mefleh in einer Mischung aus Deutsch und Englisch: „Da ich gegenwärtig nur zu Hause lernen kann, freue ich mich umso mehr, wenn jemand klingelt, um mit mir gemeinsam bestimmte Lektionen durchzusprechen.“

Wichtig ist das auch, um beruflich Fuß zu fassen. Aus Gesprächen weiß er, dass ihm als studiertem Apotheker in Deutschland viele Türen offen stehen würden, aber eben nur mit guten bis sehr guten Deutschkenntnissen. Gegenwärtig verfügt er über ein Zertifikat des Schwierigkeitsgrades A1.1. und hat vor Kurzem mit A1.2. angefangen. Um arbeiten zu dürfen, braucht er mindestens beide Kurse des B2-Levels sowie einen Zusatzkurs über Medizinvokabeln. „Ich denke, dass ich noch ungefähr neun Monate benötige, bis ich dieses Niveau erreicht habe“, sagt der 45-jährige Syrer voller Zuversicht.

Dass er bereit ist, alles Notwendige für die Integration und den beruflichen Erfolg zu tun, stellte er vor einem Monat unter Beweis, als ihm ein befreundeter Coswiger Apotheker ein Praktikum im Ruhrgebiet vermittelt hatte. „Ich hätte in Essen bei einem syrischen Apotheker assistieren und dort den Einstieg schaffen können. Leider haben wir keine Wohnung gefunden. Es gab zwar vier Angebote, aber am Ende waren einfach zu viele Menschen auf Wohnungssuche“, sagt der 45-Jährige, dem man sichtlich anmerkt, dass er diese Chance gern genutzt hätte.

Unterkriegen lässt er sich davon aber nicht. Inzwischen sieht er sogar die positiven Seiten seines gescheiterten Wegzugs und kann sich vorstellen, für immer in der Region zu bleiben. „Coswig ist ideal, um Deutsch zu lernen, weil es hier recht wenig Ausländer gibt und auch kaum Englisch geredet wird. Man ist einfach gezwungen, die Sprache zu sprechen.“ Und das werde er jetzt mit ganzer Kraft tun, um anschließend erfolgreich eine Arbeit zu suchen, so der Familienvater.

Fündig werden möchte er auch in anderer Hinsicht. Obwohl er dankbar für die von der Diakonie möblierte Wohnung in der Radebeuler Straße ist, werden die 79 Quadratmeter für ihn und seine Frau Etidal (35) sowie die Kinder Malek (10), Hala (7), Yomna (4) und Ahmad (1) langsam zu eng.

„Besonders für Malek ist es schwierig, sich ein 18 Quadratmeter großes Zimmer mit drei Geschwistern zu teilen. Schließlich braucht er seine Ruhe, um Schulaufgaben zu erledigen“, sagt Naief Mefleh, der deshalb schon mit der WBV Kontakt aufgenommen hat, um sich für eine Wohnung mit drei Schlafzimmern zu bewerben.

Leicht wird das auf dem boomenden Wohnungsmarkt zwar nicht, aber wer den Syrer mit seiner freundlichen und optimistischen Art erlebt, ist schnell überzeugt, dass er auch dieses Problem lösen wird.