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„Uns stehen gute Jahre bevor“

Über ein halbes Jahr ist Michael Ballack jetzt „Fußballrentner“. Der Ex-Kapitän der Nationalmannschaft sprach in seiner Heimatstadt Chemnitz über Pläne, Abstand und die Zukunft des DFB.

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© dapd

Interview: Jens Mende

Chemnitz. Über ein halbes Jahr ist Michael Ballack jetzt „Fußballrentner“. Der 36-jährige Ex-Kapitän der Nationalmannschaft sprach in seiner Heimat Chemnitz über Pläne und Abstand. Dem DFB-Team prophezeit er rosige Zeiten.

Bei Ihrer Rückkehr nach Chemnitz wurden Sie als Kind dieser Stadt gefeiert. Fühlen Sie sich nach vielen Jahren als internationaler Star überhaupt noch so?

Ballack: „Ich weiß ja, wo ich herkomme. Ich habe 20 Jahre hier gelebt, mein Fußball-ABC hier gelernt. Das wissen die Leute natürlich. Die Herzlichkeit ist brutal da. Für meinen ersten Verein zu spielen, ist etwas Besonderes. Auch wenn es nicht mehr auf allerhöchstem Niveau ist.“

Dann könnte Ihr persönliches Abschiedsspiel ja auch im Osten steigen?

Ballack: „Es ist noch nichts entschieden, ich bin in Gesprächen. Aber das wäre nicht schlecht, das kann ich mir auch vorstellen. Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Das ist logistisch nicht so einfach. Auch die Spieler müssen Zeit haben. Das ist eine Mammutaufgabe, da brauche ich natürlich Hilfe.“

Die Fans wollen natürlich wissen: Was macht Michael Ballack jetzt?

Ballack: „Ich bin erst sechs Monate aus dem aktiven Sport raus, den ich lange betrieben habe und der mich sehr gefordert hat. Jetzt komme ich ein bisschen zur Ruhe, entferne mich ein bisschen aus der Öffentlichkeit. Auch ein bisschen Abstand gewinnen vom Fußball. Ich widme mich jetzt mal anderen Dingen. Man stellt sich neu auf.“

In welcher Richtung?

Ballack: „Ich bin da immer vorsichtig nach außen. Da wird viel spekuliert. Wenn man die Karriere beendet hat und lange Zeit auf höchstem Niveau gespielt hat, erwarten die Leute gleich, dass man in einen neuen Beruf wieder so schnell und intensiv einsteigt. Ich werde einen Weg einschlagen, wenn es so weit ist. Das muss sich auch entwickeln.“

Ganz ohne Fußball kann man sich Michael Ballack nicht vorstellen.

Ballack: „Ich verfolge Fußball intensiv. Ich bin teilweise für das Fernsehen unterwegs. Ich bin immer noch präsent. Ab und zu bin ich in Leverkusen, nächste Woche in Dortmund. München ist vor der Haustür, ab und zu Chelsea. Ich habe überall Freunde getroffen.“

Wie hat sich Ihr Blick auf den Fußball verändert?

Ballack: „Wenn man aktiv ist und aktiv bewertet wird, ist ein ganz anderer Fokus, ein ganz anderer Druck da. Man sieht vieles neutraler und ruhiger als im Tagesgeschäft, in dem man als Profi steckt. Die aktuelle Stimmungslage richtet sich als Spieler stark nach dem aktuellen Geschehen. Jetzt kann ich langfristig planen. Ich bin seit vielen Jahren Botschaften von UNAIDS. Jetzt habe ich Zeit, mit der Organisation zu reisen, Brennpunkte zu besuchen wie in Südafrika.“

Wie eng sind Sie noch immer dran an Ihren ehemaligen Mitspielern?

Ballack: „Man trifft sich ja ab und zu. Bei Doktor Müller-Wohlfahrt habe ich jetzt wieder einige ehemalige Kollegen getroffen. Es bleibt ja nicht aus, dass man ab und an noch Wehwehchen hat.“

Die Nationalmannschaft hat auch nach Ihrem Auswahl-Ende keinen Titel gewonnen. Haben Sie eine Erklärung?

Ballack: „Das weiß ich nicht, ich bin nicht mehr dabei. Ich weiß aus vielen Jahren Erfahrung, wie der Trainer und die Mannschaft arbeiten. Aber es hat sich viel verändert, es sind viele gute Spieler dazugekommen. Es sind andere Charaktere, gute Fußballer. Mit den Charakteren verändert sich immer das Mannschaftgefüge, das Auftreten. Deswegen ist es aus der Ferne schwer zu beurteilen.“

Aber trauen Sie dem Team den WM-Titel 2014 zu?

Ballack: „Wir waren schon im Vorjahr vom Potenzial her auf Augenhöhe. Es gibt selten eine solche Mannschaft, die über so ein Potenzial verfügt wie wir. Und die Mannschaft kann ja noch wachsen, hat noch Zeit. Viele sind noch jung. Da stehen uns sicher gute Jahre bevor.“ (dpa)