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Unkraut zupfen und schweigen

Löbau hübscht für den Tag der Sachsen seine Straßen und Gehwege auf. Erledigen müssen das Ein-Euro-Jobber.

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© Rafael Sampedro

Von Markus van Appeldorn

Löbau. In einer leuchtend orangefarbenen Warnweste steht der Mann mit einer Gruppe von Arbeitern an der Rumburger Straße in Löbau. Mit einer Scharre sticht er überwachsendes Grün an der Gehsteigkante ab und entfernt Unkraut aus den Gehsteigritzen. Seit Wochen sind er und die anderen nun schon damit beschäftigt. „Ich darf hier nix sagen“, kann er gerade noch sagen. Dann fällt ihm die heraneilende Vorarbeiterin ins Wort: „Wir geben hier keine Auskünfte!“ sagt sie und bittet den Reporter nachdrücklich, nun zu gehen.

Löbau soll schöner werden zum Tag der Sachsen. Da stört auch das viele Unkraut, das an vielen Straßenrändern und Gehsteigen aus dem Boden wuchert. Mit regulären Arbeitskräften des Bauhof oder der Stadtgärtnerei schafft die stadt Löbau das längst nicht. Schon seit vielen Jahren beschäftigt die Stadt daher sogenannte 1-Euro-Jobber für solche Aufgaben. Hartz-IV-Empfänger, die sich etwas zur Stütze dazuverdienen. „Wegen des Tags der Sachsen haben wir diese Arbeitsgelegenheiten um etwa 40 Prozent aufgestockt“, informiert Eva Mentele, Pressesprecherin der Stadt Löbau. Die Anträge für diese Arbeitskräfte stellt die Stadt beim Kostenträger. Das ist der Landkreis Görlitz als Jobcenter.

„Viele dieser Menschen sind dankbar für diese Maßnahen und sind froh, für eine Aufgabe gebraucht zu werden“, sagt Mentele. so sieht das im Wesentlichen auch Joachim Herrmann, Vorsitzender des Arbeitslosenkreisverbandes Löbau-Zittau. Er selbst beantragt beim Landkreis immer wieder solche Arbeitsgelegenheiten. „Wir wollen Langzeitarbeitslose in Teams bekommen und aktivieren“, sagt er, „damit diese Menschen wieder einen strukturierten Tagesablauf bekommen.“ Der Paragraph 16d des Sozialgesetzbuches II sieht vor, dass Leistungsempfänger bis zu 100 Stunden monatlich für einen Stundenlohn von 1,20 Euro arbeiten dürfen, ohne dass dieser Lohn auf den Leistungsbezug (Hartz-IV) angerechnet wird.

Allerdings, die Wahl ob sie an der Straße Unkraut beseitigen wollen oder nicht, haben die Arbeitskräfte nicht. Egal, ob sie in ihrem ersten Berufsleben ungelernter Hilfsarbeiter, Schlagerstar oder Astrophysiker waren: Wenn eine behördliche Aufforderung zum Arbeitseinsatz kommt, müssen sie antreten: „Nach dem Grundsatz des Forderns nach Paragraph 2 SGB II müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beseitigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen“, informiert Marina Michel, Pressesprecherin beim Landratsamt Görlitz. Weigere sich ein Betroffener, an einer solchen Maßnahme teilzunehmen, werde eine Sanktion geprüft und gegebenenfalls auch ausgesprochen. Sanktion, das bedeutet Kürzung der Hartz-IV-Bezüge.

„Ein großer Teil der Bürger möchte auf eigenen Wunsch an einer Arbeitsgelegenheit teilnehmen“, teilt Marina Michel weiter mit. Die Fallmanager würden auch immer versuchen, Qualifikationen und Wünsche des Betroffenen mit den angebotenen Maßnahmen in Einklang zu bringen. Das gelinge allerdings nicht immer.

Die Stadt Löbau setzt viele solcher 1-Euro-Jobber ein. Dass diese Menschen aber darüber reden, was sie tun, das will die Stadt unterbinden. „Die MAE-Kräfte (Mehraufwandsentschädigung) werden vor ihrem Dienstantritt darüber belehrt , dass sie gegenüber der Presse keine Angaben über deren Tätigkeit machen dürfen“, teilt Marcus Scholz, Pressesprecher der Stadt Löbau auf SZ-Anfrage mit.

Mit einem wachsamen Auge blickt auch immer Horst Bergmann auf diese 1-Euro-Jobber. Bergmann ist Geschäftsführer des Fach- und Unternehmerverbandes Garten und Landschaftsbau Sachsen. Die Billigjobs können unter Umständen in Konkurrenz zu professionellen unternehmen treten und damit reguläre Arbeitsplätze gefährden. „Unsere Branche war und ist besonders betroffen“, sagt Bergmann. in einem Kompromiss-Katalog sei mittlerweile geregelt, was !-Euro-Jobber tun dürfen. Seitdem seien die Tätigkeiten in seiner Branche stark zurückgegangen. „Rasen mähen dürfen die zum Beispiel nicht“, sagt er.

Alle Maßnahmen-Anträge landen in Kopie bei Bergmann auf dem Tisch. Der Verband muss die Unbedenklichkeit bescheinigen. „Ich kann den Umfang der Maßnahme einschränken“, sagt er und meist tue er das auch. Weil Vertauen gut, Kontrolle aber besser ist, überprüft der Verband das auch und trifft gelegentlich auf Verstöße seitens der Kommunen. Bergmann: „Wir haben in der schon Prozesse geführt.“