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Und plötzlich war die Goldkette weg

Ein Mann will bei einem Paar Pelze kaufen. Doch man wird sich nicht handelseinig. Als er weg ist, fehlt Schmuck.

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© Norbert Millauer

Von Jürgen Müller

Meißen. Der Angeklagte hat einen langen Anreiseweg hinter sich. Er kommt aus Essen. Im August dieses Jahres war er schon mal in der Gegend. In einem Anzeigenblatt hatte er eine Annonce aufgegeben, dass er Pelze, aber auch Schmuck und andere Sachen aufkaufe. Ein älteres Radebeuler Ehepaar hat sich daraufhin gemeldet, einen Termin vereinbart. Am Vorabend des Besuches war das Paar zu einer Geburtstagsfeier. Da hat die Frau mal die Gelegenheit, eine wertvolle Halskette zu tragen. Der Abend muss anstrengend gewesen sein. Denn sie geht mit der Kette ins Bett, trägt sie auch noch am nächsten Morgen zum Frühstück, sehr zum Unwillen ihres Mannes, der so etwas gar nicht mag. Als sie ihm bei der Gartenarbeit helfen will, legt die 75-Jährige die Kette ab, deponiert sie in einer Schale in der Gästetoilette des Hauses. Weil sie schlecht laufen kann, spart sie sich den Weg ins Obergeschoss, um die Kette wegzulegen. Das will sie später tun. Doch ihr Mann benötigt sie nicht im Garten. Sie soll im Haus warten, der Pelzankäufer komme ja gleich, sagt er.

Pünktlich erscheint der Mann. Doch man kommt nicht ins Geschäft. Nur zwischen 25 und 30 Euro bietet er pro Pelzmantel. Aber er wolle einen Bekannten anrufen, vielleicht könnte der mit den Sachen etwas anfangen. Doch der Bekannte geht nicht ans Telefon. Gemeinsam warten die drei auf den Rückruf. Ob sie nicht was anderes verkaufen wollten, Schmuck oder so etwas, fragt der 48-jährige Essener. Seine Tochter wolle ein entsprechendes Geschäft eröffnen. Im Gerichtsverfahren stellt sich heraus, dass er gar keine Tochter hat.

Die Frau schaut nach, findet aber nichts Brauchbares. Dann bittet der Pelzaufkäufe um etwas zu trinken, leert eine Flasche Mineralwasser, geht mehrfach auf die Gästetoilette. Der Bekannte ruft nicht zurück. Er habe noch einen anderen Termin, wolle zurückrufen, wenn sich sein Bekannter gemeldet habe, sagt der Essener und verabschiedet sich. Zuvor benutzt er nochmals die Gästetoilette. Als er weg ist, will die Frau die Kette wegräumen. Doch entsetzt stellt sie fest, die Schale ist leer, die 500 Euro teure Kette weg ist. Sie ruft die 110 an, landet in der Warteschleife. Entnervt legt sie auf, ruft den Essener über Handy an, bittet ihn, nochmals zurückzukommen. Der Pelzankäufer kommt tatsächlich zurück. Die beiden konfrontieren ihn mit dem Vorwurf, er streitet heftig ab. Sie könnten ja die Polizei rufen, sagt er.

Das haben die beiden inzwischen getan. Weil die lange braucht, will der Mann gehen. Das Paar habe ja seine Telefonnummer. Draußen macht er noch ein bisschen Small-Talk. „Sie wohnen aber schön hier“, sagt er. Und plötzlich: „Was liegt denn da vor der Garage?“ Es ist die Kette der Frau. Allerdings: Von seinem Standpunkt aus konnte er sie gar nicht sehen. Er hätte sich weit über die Brüstung beugen müssen, hat er aber nicht. Das lässt nur einen Schluss zu: Er wusste, dass die Kette dort liegt, weil er sie zuvor hingelegt hatte.

Der Verteidiger fordert Freispruch. Es gäbe nichts weiter als Vermutungen, sagt er. Tatsächlich gibt es keine objektiven Beweise wie Fingerabdrücke oder andere Spuren. Der Richter ist dennoch überzeugt, dass es sich genau so zugetragen hat. „Es kommt niemand anderes als Sie für den Diebstahl in Betracht“, sagt er und verurteilt den Mann zu einer Geldstrafe von 1 000 Euro. Die Frau ist glücklich, dass ihre Kette wieder da ist. Konsequenzen hat das Paar aus dem Vorfall dennoch gezogen: „Wir lassen seitdem keinen Fremden mehr ins Haus“, sagt die 75-Jährige.