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Und plötzlich ist Styropor Sondermüll

Alte Dämmplatten enthalten einen Feuerschutz, der krebserregend sein soll. Doch wohin jetzt mit dem Abfall?

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Hartha. Styropor ist ein Multitalent: Es schützt zum Beispiel empfindliche Elektrogeräte beim Transport vor Erschütterungen und Beschädigungen. Und es hat hervorragende Dämmeigenschaften, weshalb es bei Häuslebauern beliebt ist. Doch nun bereitet die Entsorgung des Polystyrols, wie es in der Fachsprache heißt, erheblichen Ärger. „Dem Polystyrol für die Dämmung ist der Flammenhemmer HBCD beigemischt. Der gilt seit Neuestem als vermutlich krebserregend. Deshalb muss dieses Styropor als Sondermüll entsorgt werden“, sagt Klaus Dähne. Er ist Inhaber des gleichnamigen Containerdienstes aus Hartha.

Auf seinem Betriebsgelände steht ein Container, der zum Großteil mit diesem Dämmstoff gefüllt ist. „Ich weiß nicht, wohin damit, denn das ist nicht geklärt. Bisher durfte das Zeug mit in den Baustellenmischabfall, den ich zum Beispiel nach Hohenlauft gebracht habe. Dort wird der Abfall mit Polystyrol jetzt aber nicht mehr entgegengenommen“, erklärt er. Das Gesetz tritt am 30. September in Kraft. Allerdings ist noch unklar, wie und vor allem wo der Abfall künftig getrennt, zwischengelagert und schließlich verbrannt wird.

Der für HBCD festgelegte Grenzwert von 1 000 Milligramm pro Kilogramm wird am 30. September rechtswirksam. Mit dem Grenzwert wird das Ziel verfolgt, HBCD aus dem Wertstoffkreislauf auszuschließen, heißt es vonseiten des Umweltbundesamtes. Damit behandelte Dämmstoffe gelten nun als gefährlich und nachweispflichtig und dürfen nur noch in Abfallverbrennungsanlagen behandelt werden, die über eine entsprechende Zulassung verfügen.

Der Fakt der Neueinstufung dieses HBCD-haltigen Styropors als Sondermüll an sich, sei nicht das Problem, meint Katrin Schirmag, Geschäftsführerin der Firma Wamero Schirmag Schrotthandel und Containerdienst in Waldheim. Schließlich würden immer mal wieder neue Richtlinien erlassen, was die Klassifizierung verschiedener Abfälle betrifft. „Das Ärgerliche an der Sache ist, dass ein Gesetz beschlossen wurde, ohne dass es eine Lösung für das neue Problem gibt“, sagt sie.

Sie habe Anfang des Monats durch Anrufe von Kunden von dem Problem erfahren. Kurz darauf habe sie eine E-Mail von der Entsorgergemeinschaft, in der ihr Unternehmen Mitglied ist, erhalten. Es handelt sich um die Entsorgergemeinschaft Regionaler Wirtschaftsverkehr (EGRW) mit Sitz in Frankfurt am Main. Geschäftsführer Werner Baumann erklärt auf DA-Nachfrage: „Diese Abfälle sind dem Kreislauf separat und geordnet zu entziehen, wie es auf dem Papier so schön heißt. Dumm ist dabei nur, dass deutschlandweit so gut wie keine Verbrennungsanlage dafür eine Zulassung hat.“ Ein weiteres Problem: Styropor brennt schnell. „Zwar sind die Flammenhemmer auf der Oberfläche, aber nicht in der Mitte. Das Styropor explodiert regelrecht, wenn man es verbrennt“, erklärt Ruth Seemann von der EGRW. Die Sonderabfallverbrennungsanlagen seien dafür nicht gerüstet. „Bisher war dieses Styropor nur Beimenge im Baustellenmischabfall. Da war das kein Problem“, sagt sie.

Der Dämm-Styropor mit dem Schadstoff erhält ab 1. Oktober eine neue Schlüsselnummer nach der Europäischen Abfallverzeichnis-Verordnung. „Entsorgungsfirmen müssen erst eine Genehmigung beantragen, um Abfälle mit dieser Schlüsselnummer annehmen, lagern und transportieren zu dürfen“, erklärt Solveig Schmidt, Sprecherin der Entsorgungsdienste Kreis Mittelsachsen GmbH (EKM). Die EKM berät Abfallbesitzer zu möglichen Entsorgungswegen. „Das fällt im Moment schwer, da der Entsorgungsweg derzeit aufgebaut wird“, ergänzt sie. Solveig Schmidt erklärt: „Regionale Entsorger, zum Beispiel die Becker Umweltdienste GmbH, erarbeiten derzeit eine Lösung, um ein für diese Verbrennungsanlagen verwertbares Abfallgemisch herzustellen.“ Es gilt in der Branche zum größten Teil ein genereller Annahmestopp. „Die Containerdienste und anderen Anlieferer wurden durch Aushang in Hohenlauft und den anderen Wertstoffhöfen ab dem 15. September informiert“, erklärt Joachim Beyer, Geschäftsführer der Entsorgungsgesellschaft Döbeln mbH (EGD). Er verweist auf den Drei-Punkte-Plan des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE). Die Details sind eher etwas für Insider. Es gibt Verweise auf verschiedene Gesetze und Schlüsselnummern zur Abfallentsorgung. Das Ziel ist klar: Eine schnelle Lösung mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand muss her. „Ein Schwarzer-Peter-Spiel, bei dem die Verantwortung unter den Beteiligten hin und her geschoben wird, nutzt niemandem. Am Ende sind die Bauherren die Leidtragenden“, so BDE-Präsident Peter Kurth.

Und nicht nur die. Auch Baufirmen bringt das in Schwierigkeiten, bestätigt Robert Schimke, Sprecher der Handwerkskammer Chemnitz: „Handwerker haben derzeit keine Möglichkeit, Styroporabfälle abzugeben. Die Lager der Entsorger mit Sondergenehmigung sind voll und auch diese bekommen die Abfälle nicht los.“ Schimke benennt ein weiteres Problem: „Nicht nur die Wege, sondern auch die Kosten der Entsorgung sind völlig offen, was neben Entsorgern und Dienstleistern wie Containerdiensten, zum Beispiel auch den Bereich des Abbruchs von gedämmten Gebäuden, sehr schwer trifft und damit auch laufende Ausschreibungen.“

Weitere Probleme tun sich für die Handwerksunternehmen auf, da sie nun mit Styropor einen gefährlichen Abfall transportieren. Dazu gibt es ebenfalls Vorschriften, die bei der Überschreiten einer bestimmten Menge pro Jahr greifen. „Das Zwischenlagern von gefährlichen Abfällen auf Betriebsgeländen bis zum Tag, da die Entsorgung wieder funktioniert, ist ebenfalls problematisch, da dort auch besondere umweltrechtliche Regelungen greifen könnten“, ergänzt Robert Schimke.