Merken

Und immer wieder bebt die Erde

Über die Hilfsorganisation Kizuna waren TDDK-Beschäftigte in Japan. Sie berichteten jetzt in Straßgräbchen.

Teilen
Folgen
NEU!
© René Plaul

Frank Oehl

Es gibt Menschen, die wohnen in erdbebensicheren Regionen. Andere nicht. Sie leben dort, wo sich Kontinentalplatten aneinander reiben. Zum Beispiel in Japan. Vor 51 Monaten wurde die Region um Fukushima von einer Tsunami-Katastrophe biblischen Ausmaßes heimgesucht. Jetzt waren sieben Männer und eine Frau von Straßgräbchen aus im Arbeitseinsatz vor Ort. Zum Beispiel Frank Höhne von TDDK: „Als wir am ersten Tag gegen 6.15 Uhr auf einem Reisfeld arbeiteten, schien unmittelbar unter uns plötzlich eine U-Bahn durchzurattern.“ Das Beben hatte eine Stärke von 6,8 auf der Richterskala.

Das sei eine angstmachende Erfahrung gewesen, bestätigten auch die anderen. Stephanie Hübner (25) zum Beispiel wusste nicht, ob sie gerade noch stehenbleiben oder einfach umfallen sollte. Und am letzten Tag war ein Teil der Gruppe auf dem Flughafen, als in der Region Tokio die Auswirkungen eines Bebens von sogar 7,8 zu spüren waren. „Das ganze Gebäude hat gewackelt“, so Höhne. „Bitte keine Panik“, sei die Durchsage gewesen. Die Startbahn wurde anschließend auf Risse untersucht – und ab ging’s in die Luft. Zurück in die Heimat. So einfach geht das ...

Jetzt wird aufgebaut

Auch diese Episode wurde jetzt im „Multi-Raum“ beim Klimakompressorenhersteller bestaunt. Die Reisegruppe unter Leitung des TDDK-Pensionärs Frank Beyer berichtete über zwei Wochen Arbeitseinsatz mit Kizuna. Die Organisation war im Sommer 2011 in Berlin gegründet worden, um Erdbeben-Hilfe zu bündeln und an Orte in Japan zu bringen, wo sie am dringendsten ist. Beyer: „Beim ersten Einsatz im Herbst 2011 war die Lage noch ganz schlimm gewesen.“ Aufräum- und Abrissarbeiten, wohin man schaute. Es habe Orte mit 30 000 Einwohnern gegeben, in denen kein einziges Haus zu retten war. „In Rikuzentaka war ein Gefrier- und Lagerhaus für Fisch zerstört worden. Es stank bestialisch, und, die Fliegen, waren so fett gefressen, dass sie nicht mehr fliegen konnten.“ Das berichteten die Einwohner den Helfern.

Mittlerweile ist die Region aufgeräumt. Jetzt wird aufgebaut. Den vielen Buchten werden bis zu zehn Meter hohe Flutschutzwände vorgesetzt. Und das bewohnbare Land wird um 14 Meter aufgeschüttet, indem umliegende Berge abgetragen werden. „Das wahnsinnig teure Wiederaufbauprogramm findet nicht überall Zustimmung“, so Beyer. Viele Menschen würden die Eingriffe in die Natur missbilligen. Wer lebe schon gern hinter einer riesigen Mauer, die den Blick auf das Meer verstellt? Gehöre die Tsunami-Gefahr nicht zu Japan, werde gefragt. Und sei es nicht besser, Siedlungen mehr ins Landesinnere zu verlegen, ohne Berge schleifen? Der jetzige Gigantismus sei leider nicht geeignet, die schon länger anhaltende Landflucht vor allem der Jugend aufzuhalten, heißt es.

Andres Bathow zum Beispiel war in einem kleinen Dorf zum Hilfseinsatz. Mit 21 Bewohnern, Durchschnittsalter: 69 Jahre. Er arbeitet als Mann für alle Tätigkeiten. Er baute Weidezäune mit auf, wartete Mountainbikes oder führte diverse Klempnerarbeiten aus. „Eine Förderung des ländlichen Raumes wie bei uns gibt es in Japan nicht.“

Einen Kimono für daheim

Sie wäre aber durchaus wichtig, wie auch andere zu berichten wussten. Überall in den Familien waren die helfenden Hände aus Deutschland willkommen. „Wir haben nur freundliche Menschen erlebt“, so Thomas Pretze. Der 25-jährige Hoyerswerdaer und Frank Beyer richteten ein Gewächshaus ein, säuberten Fischernetze, räumten Geräteschuppen auf und machten sich auf den Feldern nützlich. Dafür wurde man von den Gastfamilien beköstigt, und nach dem Modell von Work & Travel gab es auch kleinere Exkursionen in die Umgebung, um Land, Leute und vor allem das japanische Essen kennenzulernen. Und auch den einen oder anderen Brauch.

Stephanie zum Beispiel durfte einen schmucken blauen Kimono anprobieren und war ganz perplex, als die Gastgeberin ihr zu verstehen gab, dass sie diesen mit nach Deutschland nehmen könne. Alle Exkursionsteilnehmer waren am Ende begeistert von den zwei Wochen unglaublicher Erlebnisfülle. Und der konzertierte Arbeitseinsatz war auch für die TDDK-Geschäftsführung eine neue Erfahrung. Wobei Manager Ronald Juhnke den Dank an die japanisch-deutsche Firmenleitung prompt zurückgab: „Alle beteiligten Mitarbeiter haben für die Hilfsexkursion Urlaub eingereicht und alle Kosten selbst getragen. Also haben wir zu danken!“