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Und ewig blüht die Kamelie

Jochen Fiedler zeigt im Landschloss Pirna-Zuschendorf 79 Gemälde. Es ist seine bisher schönste Ausstellung.

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© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Pirna. In einem braunen Henkeltopf wächst in Cunnersdorf bei Hohnstein unterm Dach des Malers Jochen Fiedler eine Kamelie. Sie ist von bescheidener Größe, aber wunderhübsch anzusehen, besonders, wenn sie über und über voller roter Blüten ist, in deren Mitte die gelben Staubgefäße leuchten. In diesen Tagen ist sie im Landschloss Zuschendorf zu bewundern, ausgerechnet dort, wo es doch bereits Kamelien in allen Größen gibt, ja, in den Glashäusern regelrechte Wälder wachsen. Freilich sind sie allesamt bereits verblüht. Nur Jochen Fiedlers Pflanze nicht. Sie ist gemalt. Das Bild, das im Festsaal hängt, „ist eine Referenz an den Ausstellungsort“, sagt der Künstler. Es erzählt aber noch viel mehr. Etwa, dass Fiedler nun endlich das Fenster in sein neues Atelier eingebaut hat, in dem die Kamelie mit Blick nach draußen steht, und dass dieses aber noch nicht beheizbar ist. Sonst würde die Königin des Winters nicht blühen. Sie mag es gerne frisch, ganz im Gegensatz zu ihrem Besitzer, der lieber eine Heizung in den Räumen hätte, um sie ganzjährig nutzen zu können.

Die Kamelie vor seinem Atelierfenster malte Jochen Fiedler für seine Ausstellung in Zuschendorf.
Die Kamelie vor seinem Atelierfenster malte Jochen Fiedler für seine Ausstellung in Zuschendorf. © Thomas Morgenroth

Wobei Jochen Fiedler auch missliches Wetter nicht scheut, um mit seiner Feldstaffelei in die Landschaft zu radeln. Das Auto nimmt er nur, wenn er weiter weg will, etwa nach Wehlen, wo Fiedler im vergangenen Jahr eine Ausstellung in der Radfahrerkirche hatte. „Ich male dann auch gern an den Orten, in denen meine Bilder gezeigt werden“, sagt er. Stimmungsvolle Gemälde sind dabei entstanden, wie eine Ansicht der Stadt vom Schlossberg aus oder eine Felslandschaft bei Dorf Wehlen. Die Sächsische Schweiz spielt im Schaffen des aus Dresden stammenden Künstlers eine zentrale Rolle: Königstein, Pfaffenstein, Gamrig, Rathen. Wobei er seine schönsten Motive und Landschaften oft in Cunnersdorf findet, wohin er mit seiner Frau und den fünf Kindern 1998 gezogen ist. Meistens sogar direkt vor seiner Haustür: im Garten, wo Rhododendron und Flieder um die Wette blühen, auf dem Weg ins Polenztal, wo im Herbst die weißstämmigen Birken rotgolden glühen, oder auf dem Feld, wo das Getreide wogt. Diesen scheinbar unbedeutenden Dingen widmet sich Jochen Fiedler mit Hingabe und Können, und das macht seine Ölbilder, Pastelle und Aquarelle zu Kunstwerken, die über das Abgebildete hinaus Bestand haben.

Anders als zum Beispiel sein Freund und Kollege Sebastian Glockmann hat Jochen Fiedler, der im Juli 54 wird, die gegenständliche Darstellung nie aufgegeben. „Das ist eine ganz bewusste Entscheidung“, sagt er, „das ist meine Art, die Welt zu sehen.“ Als professioneller Künstler könne er auch alle Themen gegenstandsfrei abhandeln, sagt Fiedler, „aber ich habe meine Freude am blühenden Baum und daran, dass die Leute ihre Häuser wiedererkennen“ Im Grunde bestehen seine Gemälde ja aus abstrakten Details, die erst durch das Zusammenspiel einen Baum, ein Haus oder Wolken ergeben. Fiedler, der seit 1989 freischaffend arbeitet, holte sich künstlerisches Rüstzeug an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Hubertus Giebe und Johannes Heisig und als Meisterschüler beim Zeichner Gerhard Kettner.

Eine einmalige Gelegenheit, in Fiedlers künstlerischen Kosmos einzutauchen, besteht bis Anfang Juli im Landschloss Zuschendorf, das 79 Gemälde des Künstlers zeigt. Thematisch sortiert: Im Kaminzimmer sind seine Gartenbilder zu sehen; im Luisenzimmer die Reisebilder, etwa aus Schweden, wo seine Tochter Helene lebt; im Salon und im Festsaal die Ölbilder; im Foyer unten die Pastelle, oben die Aquarelle und im Wehrgang seine malerischen Verbeugungen vor Cunnersdorf und vor dem Landschloss Zuschendorf. Jochen Fiedler wandelt beglückt durch die Räume: „Es ist die schönste Ausstellung, die ich je hatte.“ Die Schau inspirierte ihn zu neuen Motiven, wie der Kamelie. Er und seine Frau Runhild bekamen das Bäumchen vor sechs Jahren zu ihrer Silberhochzeit. Woher es stammt, weiß Fiedler nicht, aber Matthias Riedel, Leiter der Botanischen Sammlungen, hält es für möglich, dass es eine Zuschendorfer Züchtung ist. Eine ganz besondere: Sie blüht ewig.

Jochen Fiedler, „Landschaft und Garten“, bis 3. Juli im Landschloss Zuschendorf, Di.-So. 10-17 Uhr; am 15. Juni, Beginn 19 Uhr, liest der Schriftsteller Thomas Rosenlöcher Geschichten und Gedichte in der Ausstellung, Jochen Fiedler steht ab 18 Uhr für Fragen zur Verfügung.