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Sonderstatus für die Ostukraine

Überraschungen im Ukraine-Konflikt hat es viele gegeben. Mit einem Sonderstatus für den Osten des Landes will Präsident Poroschenko nun den nach Unabhängigkeit strebenden prorussischen Separatisten entgegenkommen.

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© dpa

Kiew/Brüssel. Als Teil des Friedensplans für die Ostukraine hat das Parlament in Kiew ein Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktregion sowie eine Amnestie für die Separatisten beschlossen. Das von Präsident Petro Poroschenko am Dienstag in der Obersten Rada eingebrachte Gesetz soll die Selbstverwaltungsrechte der Regionen Donezk und Lugansk stärken. Die prorussischen Aufständischen reagierten zurückhaltend auf die Initiative aus Kiew. In einer weiteren Abstimmung ratifizierte die Rada ein von Moskau kritisiertes Partnerschaftsabkommen zwischen der Kiew und Brüssel einstimmig. Zeitgleich nahm auch das EU-Parlament das Abkommen an.

In einer nicht öffentlichen Sitzung stimmten 277 von nominell 450 Abgeordneten für den von Poroschenko vorgeschlagenen Sonderstatus der Ostukraine. Wegen des Ablaufs stellten indes einige Politiker die Rechtmäßigkeit des Gesetzes infrage. Die ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko kritisierte zudem: „Dieses Gesetz bringt keinen Frieden.“

Unterschiedliche Zukunftsbilder

Separatistenführer Alexander Sachartschenko sagte, wenn der Sonderstatus eine Unabhängigkeit der Region Donbass bedeute, würde er dies begrüßen. Anführer Andrej Purgin erteilte nach Angaben russischer Agenturen Spekulationen über eine Föderalisierung eine klare Absage. In der Ostukraine herrschen unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Region: von einer Autonomie innerhalb der Ukraine, über eine Unabhängigkeit bis hin zu einem Beitritt zu Russland. Die Führung in Kiew fordert, dass die Aufständischen ihre Unabhängigkeitspläne aufgeben.

Das Gesetz gilt für drei Jahre. Es verbrieft etwa das Recht auf die eigene Sprache für die russischsprachige Bevölkerung in den Regionen Donezk und Lugansk. Zudem soll die Selbstverwaltung eigener Gebiete gestärkt werden. Auch eine enge Kooperationen mit angrenzenden russischen Gebieten sind möglich. Vorgesehen sind außerdem örtliche Wahlen am 7. Dezember sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz.

Das Amnestiegesetz räumt den Separatisten weitgehende Straffreiheit ein. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden.

Partnerschaft mit der EU

Nach der überraschend schnell angenommenen Friedensinitiative ratifizierte die Oberste Rada im Beisein von Präsident Poroschenko das Partnerschaftsabkommen mit der EU. Gleich nach der Abstimmung unterzeichnete der Staatschef die Ratifizierungsurkunde.

Das EU-Parlament in Straßburg ratifizierte das Abkommen zeitgleich mit überwiegender Mehrheit. Die beiden Parlamente waren per Videoschalte miteinander verbunden. 535 EU-Parlamentarier stimmten dafür und 127 dagegen bei 35 Enthaltungen. Um das Abkommen in Kraft zu setzen, müssen alle EU-Regierungen extra zustimmen.

Russland ist gegen das Freihandelspaket, das Teil des Abkommens ist, und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet. Moskau befürchtet, dass der Westen durch das Abkommen mit der Ukraine Zugriff auf die seit Sowjetzeiten eng mit Russland verknüpfte Rüstungs- und Raumfahrtindustrie bekommt. Um Moskau entgegenzukommen, soll der Freihandelspakt erst 2016 in Kraft treten.

Russland fürchtet Waffenlieferungen

Ungeachtet der Friedenssignale Kiews warnte Russland den Westen vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Parlamentschef Sergej Naryschkin kritisierte eine drohende direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. Die Regierung in Kiew hatte nach dem Nato-Gipfel in Wales mitgeteilt, dass mehrere Mitgliedstaaten mit der Lieferung von Waffen begonnen hätten. Eine Bestätigung gab es nicht. Allerdings wurde Moskau in den vergangenen Wochen immer wieder vorgeworfen, es liefere Waffen an die Separatisten.

Zur Überwachung der brüchigen Waffenruhe in der Ostukraine prüft die Bundesregierung die Entsendung von Drohnen. Die Bundeswehr schickte ein Erkundungsteam mit 14 Soldaten nach Kiew, um die Bedingungen dafür zu prüfen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die die Feuerpause überwacht, denkt bereits seit Juli über den Einsatz von Drohnen in der Ukraine nach. Österreich sagte bereits die Entsendung von zehn Drohnen zu. (dpa)