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Überstunden im Schafstall

Es ist Lammzeit. Da wird der Schäfer schon einmal selbst zum Geburtshelfer.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Etwas wacklig ist das Lämmchen noch unterwegs. Die dünnen Beine zittern leicht. Am Bauch hängt noch die Nabelschnur. Davon abgesehen wirkt das Kleine schon recht munter. Es ist der jüngste Zuwachs im Schafstall auf Gut Göhlis, erst wenige Stunden alt. „Bisher haben 130 Tiere gelammt“, sagt Schäfer Axel Weinhold. Am anderen Ende des Stalles steht noch eine größere Gruppe hochträchtige Schafe. Es werden bis Anfang März noch 250 weitere Tiere lammen, schätzt Weinhold. Er hat deshalb zurzeit noch etwas mehr zu tun als sonst. „Abends gegen um acht oder um neun schaue ich noch einmal nach dem Rechten. Man entwickelt einen Blick dafür, wann es bei den Zibben so weit ist.“

Acht bis zehn Lämmer am Tag

Zwischen acht und zehn Lämmer werden derzeit täglich geboren. „Es ist eine arbeitsreiche Zeit, eigentlich gibt es rund um die Uhr zu tun“, sagt der Schäfer. Gegen 7.30 Uhr steht der erste Kontrollgang an. Schließlich muss er eingreifen können, wenn es doch einmal Probleme bei den Tieren gibt. „Wenn die Lämmer in Steißlage geraten, dann müssen wir schon auch mal Geburtshilfe leisten“, erzählt er und schmunzelt. Im Grunde sei das alles wie beim Menschen auch – bis hin zur Desinfektion der Nabelschnur. Dafür steht im Stall eine Jodflasche bereit.

Anschließend kommen das Schaf und seine Lämmer zusammen in ein kleines Gatter. Dort sollen sich Mutter und Jungtier aneinander gewöhnen. Später, wenn das Fell trocken ist, bekommt das Lamm eine fortlaufende Nummer auf den Rücken gesprüht. Das hilft bei der Dokumentation und beim Zuordnen, falls eines der Jungen ausbüxen und die Mutter verlieren sollte. Später wird die Ohrmarke die Rückennummer ersetzen. Die Dokumentation ist bei den Merinos nicht ganz unwichtig, erklärt Axel Weinhold. Die Rasse sei relativ selten geworden. „Deshalb muss man sehr aufpassen, weil immer die Gefahr von Inzucht besteht.“

Der Schäfer kann wegen der genauen Dokumentation auch ganz sicher sagen, dass das jüngste Lamm im Stall niedersächsische Wurzeln hat. „Von dort kam der Bock.“ Fast zeitgleich sind auch einige Halbgeschwister des Lämmchens geboren worden, weil jeder Schafbock gleich mehrere Schafe deckt.

Ein Lamm bringt etwa 100 Euro

Während die frischgeborenen Lämmer und ihre Mütter im Stall stehen, haben die Schäfer den Rest der Schafherde auf eine Wiese am Flugplatz getrieben. Dort bleiben die Tiere bis zur Mittagszeit. Die Merino-Schafe draußen auf der Weide lammen zu lassen, das wäre schon ein wenig ungerecht, sagt Weinhold. „Merinos kommen aus Spanien und sind asaisonal, also das ganze Jahr über fruchtbar.“ Anders als heimische Rassen würden sie deshalb auch im Winter Lämmer bekommen. Allzu nasses und kaltes Wetter würde den Tieren zu sehr zusetzen. Vor allem sei die Winterhaltung im Stall aber praktischer für den Schäfer. Weil die Tiere das ganze Jahr über fruchtbar sind, werfen die Mutterschafe auch häufiger. Das Ziel der Riesaer Schäferei sei es, dass jede Zibbe in drei Jahren zweimal Junge zur Welt bringt, sagt Axel Weinhold.

Mit den Kartoffeln und dem Heu, das die Schäfer an diesem Morgen in die Krippe werfen, können die Lämmer noch nicht viel anfangen. Die Zitzen der Mutterschafe sind da deutlich interessanter. „Mit drei, vier Wochen fangen sie so langsam an, zu knabbern“, sagt Axel Weinhold. Im Frühjahr geht es dann auf die Weide.

Und dann? „Etwa 100 Tiere behalten wir in jedem Jahr zur Nachzucht.“ Der Rest werde verkauft, und zwar ausnahmslos an Viehhändler aus der Region, zum Beispiel an die Fleischerei Heppner in Wildenhain. Schlachtreif seien die jungen Schafe nach einem halben Jahr, mit etwa 40 Kilogramm. Rund 100 Euro bringe ein Tier auf dem Markt. Kein Vergleich zu einem ausgewachsenen Schafbock, für den Züchter locker einen vierstelligen Betrag bezahlen.