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Überschlagsimulator statt Strafe

Häufig verstoßen Lkw-Fahrer gegen Vorschriften. Die tschechische Polizei versucht es mit Prävention.

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© Steffen Neumann

Von Steffen Neumann

Breitenau/Varvasov. Ehe er nach Deutschland weiterfährt, räumt Daniel Simandl erst einmal die Fahrerkabine seines Sattelschleppers auf. Eben musste er erfahren, was alles um ihn herumfliegt, wenn sein Lkw mal umkippt. An der letzten tschechischen Raststätte Varvazov an der Autobahn Prag–Dresden, 15 Kilometer vor der sächsischen Grenze, hatte die tschechische Polizei gestern einen Überschlagsimulator aufgebaut. „Ich bin ins Grübeln gekommen, was man alles in der Kabine liegen lässt“, fühlt sich der sichtlich mitgenommene Tscheche ertappt. Dabei liegen in dem Simulator nur Plüschtiere. „In Wirklichkeit finden sich dort Wasserkocher, Laptop, Kaffeemaschine und wer weiß was noch“, zählt Lukas Polan, stellvertretender Leiter der Autobahnpolizei im Bezirk Usti, auf.

Ein Blick in die Lkw-Kabinen bestätigt die Vorsorgemaßnahme, die bereits zum sechsten Mal durchgeführt wurde. „Heute gab es die meisten Verstöße gegen die Gurtpflicht sowie eine Vielzahl lose herumliegender Gegenstände in den Autos. Außerdem erwischten wir Beifahrer auf der Ruhematte liegend“, zählt Polan auf. Bei einem Unfall kann das den Tod bedeuten. „Oft wird unterschätzt, dass eine Fahrerkabine nicht nur rund 2,40 Meter breit ist, sondern zwei Meter hoch. Entsprechend sind die Fallhöhen, wenn der Lkw umkippt oder sich überschlägt“, sagt Jürgen Schöbel, der den Simulator für den Deutschen Verkehrssicherheitsrat betreibt.

Auf der Raststätte hinter der MOL-Tankstelle ist das Gerät eindeutig der Aufreger. Nicht nur die kontrollierten Fahrer auch weitere Reisende wollen den Überschlag ausprobieren. In ganz Europa gibt es gerade mal zwei davon. „Wir mussten ihn ein Jahr im Voraus buchen“, sagt Polizeisprecherin Sarka Polackova. 60 000 Euro blättern die Tschechen für den Tageseinsatz hin. Trotzdem lohnt sich das, meint Polackova: „Wir selbst haben die Technik nicht, und der Lerneffekt ist hoch.“

Zur Ausstattung gehört noch ein Simulator, der einen Aufprall bei zehn Stundenkilometer simuliert. Das klingt langsam, fühlt sich aber offenbar schneller an. „Ich lasse die Leute immer schätzen. Die meisten liegen deutlich drüber“, sagt Schöbel. Die Präventivaktion hat einen ernsten Hintergrund. Der Anteil von Lkw-Fahrern an Verkehrstoten ist in Tschechien hoch. „EU-weit entfallen auf Fahrer von Lkws über 3,5 Tonnen neun Prozent der Verkehrstoten, in Tschechien bildet diese Gruppe fast ein Drittel“, sagt Roman Budsky vom Team Straßensicherheit. Er führt dies auf fehlende Autobahnen, schlechte Straßen und das gestiegene Verkehrsaufkommen zurück. Tschechien ist wie Deutschland ein Transitland, weshalb die Polizei eng mit den deutschen Kollegen zusammenarbeitet. Polizeihauptmeister Mirko Ihle von der Lkw-Kontrollgruppe konzentriert sich auf Überlasten. „In Deutschland gilt bereits ab 2,8 Tonnen die Pflicht, Ruhezeiten einzuhalten. In Tschechien und anderswo beginnt das erst bei 3,5 Tonnen“, sagt er. Viele Fahrer unterlaufen das, indem sie ihre kleinen Lieferwagen unzulässig überladen. Eine Untersagung der Weiterfahrt aufgrund technischer Mängel betraf fast nur ausländische Fahrzeuge, meldet das sächsische Innenministerium.

Auf der tschechischen Raststätte muss an diesem Tag keiner seinen Lkw abstellen. Ein Fahrer muss einen Scheinwerfer ersetzen. Der Strafe entgeht er, indem er sich einer Prüfung unterzieht. Die meisten tun das bereitwillig und werden sogar belohnt. Die Polizei teilt Geschenke wie Reflexionsstreifen und alkoholfreies Bier aus.