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Übers Dealen die Sucht finanziert

Bei einem Großenhainer werden Drogen und Verteilerlisten gefunden. Das bringt ihn voraussichtlich für 22 Monate hinter Gitter.

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© Symbolbild/Wolfgang Wittchen

Von Manfred Müller

Großenhain. Es macht schon mal keinen guten Eindruck, wenn ein Angeklagter nicht zum Verhandlungstermin erscheint. Die Justiz versteht da keinen Spaß und setzt eine Polizeistreife in Marsch, die Delinquenten von zu Hause abholt. So auch im Falle eines Großenhainers, der sich wegen Drogendelikten vor dem Riesaer Amtsgericht verantworten muss.

Als die Ordnungshüter an seiner Tür klingeln, öffnet die Lebensgefährtin und erzählt, dass sich ihr Freund zum Cottbuser Bahnhof aufgemacht habe. Der ruft zwischenzeitlich beim Gericht an und erklärt, dass er zwar am Bahnhof sei, aber sein Portemonnaie zu Hause liege. Schließlich macht er sich auf den Rückweg, wird dort bereits von den Polizisten erwartet und in den Gerichtssaal eskortiert.

Dem Angeklagten, nennen wir ihn Ronny, wird vorgeworfen, größere Mengen Marihuana und Crystal besessen und gewerbsmäßig weitervertickt zu haben. Er hingegen behauptet, den Stoff ausschließlich für den Eigenbedarf gebunkert zu haben. Dass er selbst Drogen konsumiert, nimmt man ihm ohne Weiteres ab. Er zeigt auch vor Gericht die typischen Symptome eines Drogenkonsumenten. Er wirkt total abwesend, braucht lange Denkpausen, ringt um Formulierungen und kann dem Verhandlungsverlauf oft nicht so richtig folgen.

Auf die Spur gekommen ist ihm die Polizei durch abgehörte Telefonate eines Coswiger Dealers, bei dem er regelmäßig Drogen bestellt hat. Die wurden zwar mit einem in der Szene üblichen Code verschlüsselt („Ist der Blumenkohl so teuer geblieben?“), aber aus ihnen geht ziemlich klar hervor, dass Ronny in Großenhain Bestellungen von Drogensüchtigen aufnahm, das Geld eintrieb und ihnen den Stoff besorgte.

Bei einer Hausdurchsuchung wurde dann auch ein kleiner Tresor sichergestellt, in dem sich Crystal, Marihuana, Bargeld und Namenslisten nebst den Beträgen fanden, die entweder gezahlt oder als Schulden aufgeführt waren. Das Pärchen hatte ihn in aller Eile unter der Bettdecke versteckt. Im Bad entdeckten die Beamten überdies eine Waage, die darauf hindeutete, dass die Drogen hier in kleinere Portionen aufgeteilt wurden. Und auch einige Namen auf der Abrechnungsliste waren der Polizei durchaus bekannt, darunter ein gewisser „Nex“, der in der Drogenszene der Röderstadt eine unrühmliche Rolle spielt. Insgesamt fünf Anklagevorwürfe wegen Drogenbesitz und -handel kommen gegen den 36-Jährigen zum Aufruf, und Richter Alexander Keller fragt ihn, wie er den auffällig niedrigen Wirkstoffgehalt der gefundenen Narkotika erklären könne. Das deute doch darauf hin, dass der Stoff gestreckt worden sei. Und gestreckt werde in aller Regel, um ihn weiter zu verkaufen und dabei Gewinn zu machen. Nein, insistiert Ronny, er habe das Zeug ausschließlich zum Konsum für sich und seine Freundin besorgt. Ohne ein Geständnis muss sich das Gericht bei der Urteilsfindung ausschließlich auf die zahlreich vorhandenen Indizien stützen. Auch die Lebensverhältnisse des Angeklagten werden beleuchtet. Als Hartz-IV-Empfänger habe er doch gar nicht die Mittel gehabt, um für Hunderte von Euro Drogen zu kaufen. Und auch die Tatsache, dass Ronny mehrfach wegen gewerbsmäßigen Diebstahls verurteilt wurde und Haftstrafen absaß, deute auf kriminelle Energie hin. Deshalb sieht es die Staatsanwaltschaft als erwiesen an, dass der Großenhainer seinen eigenen Drogenkonsum übers Dealen finanzierte. Sie fordert zwei Jahre Haft ohne Bewährung. Die Verteidigung hingegen geht nur von unerlaubtem Drogen-Erwerb aus und sieht lediglich eine Bewährungsstrafe als ausreichend an.

Dem kann sich das Schöffengericht nicht anschließen. Die Indizien seien erdrückend, begründet Richter Keller und spricht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten aus. Er könne dem Angeklagten beim besten Willen keine günstige Sozialprognose ausstellen, erklärt er.

Der habe nach einer abgebrochenen Lehre – wenn überhaupt – bisher nur Gelegenheitsarbeiten ausgeführt und sich auch nie um einen Vollzeitjob bemüht. Um sein Drogenproblem in den Griff zu bekommen, könne sich Ronny auch im Knast einer Therapie unterziehen. Für die zu erwartende Berufung macht Keller dem Delinquenten wenig Hoffnung. „Wenn Sie Bewährung bekommen wollen, müssen Sie liefern“, sagt er, „aber das haben Sie bisher an keiner Stelle getan.“