Merken

Überraschung bei der Lehrlingssuche

Die Besetzung freier Stellen geht schneller als in den Vorjahren. Doch nicht alle Branchen profitieren von der Trendwende.

Teilen
Folgen
© André Braun

Von Tina Soltysiak

Mittelsachsen. Hanna Stecher sitzt im Edelmetallbereich des Dentallabors Hartha und fertigt eine Zahnkrone. Passgenau muss sie sein. Das ist eine filigrane Arbeit. Diese ist nur eine Facette, die die 19-Jährige an der Ausbildung zur Zahntechnikerin schätzt. Sie ist im ersten Lehrjahr. Das Unternehmen sucht für das im August beginnende Ausbildungsjahr noch Schulabgänger, die sich für diese Arbeit begeistern können. „In diesem Jahr ist die Bewerbersuche schwierig“, sagt die stellvertretende Laborleiterin Nicole Wagner. Es habe zwar bereits Interessenten gegeben. Die seien jedoch wieder abgesprungen. „Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Berufsschule in Leipzig und damit für manche nicht so einfach erreichbar ist“, mutmaßt sie. Gern würde der Betrieb mit Sitz in Waldheim zwei bis drei junge Leute ausbilden. Für den Beruf des Zahntechnikers seien unter anderem handwerkliches Geschick, Vorstellungskraft und Fingerfertigkeit erforderlich. Zwei Tage pro Woche sind die Azubis in der Berufsschule, drei im Labor.

Und auch in Lüttewitz bei der Autowerkstatt Grafe gestaltet sich die Nachwuchssuche schwierig. Chef Michael Grafe greift deshalb zu einem außergewöhnlichen Suchaufruf: Er hat insgesamt zwei Schilder mit der Aufschrift „Lehrling gesucht“ unmittelbar an der Straße aufhängen lassen – eines direkt vorm Betrieb, das andere an der ehemaligen B 175 in Leschen. „Sie werden wahrgenommen, es gibt jedoch kaum Resonanz darauf“, sagt Kfz-Meisterin Linda Wehner. Zu vergeben hat das Unternehmen einen Ausbildungsplatz zum Kfz-Mechatroniker. „Weil es sich um einen Handwerks- und damit körperlich schweren Beruf handelt, ist es nicht leicht, junge Leute für diese Lehre zu begeistern“, sagt sie. In Gesprächen mit anderen Handwerkern sei ihr deutlich geworden, dass dies ein generelles Problem in der Branche ist. Die Jugendlichen seien eher auf der Suche nach einem gut bezahlten Bürojob als nach einem vergleichsweise geringer vergüteten Handwerksberuf.

Doch in diesem Jahr können einige Unternehmen diesen Trend – zu ihrer eigenen Überraschung – nicht bestätigen. Die Regiobus Mittelsachsen GmbH habe keine besonderen Schwierigkeiten gehabt, die offenen Lehrstellen zu besetzen. Nicole Liebernickel, die beim Apparatebauer AEL in Leisnig für die Ausbildung zuständig ist, zeichnet ein ähnliches Bild: „Wir hatten sogar eine Auswahl aus guten Bewerbungen.“ Das Unternehmen hat deshalb vorgesorgt: „Wir haben gleich zwei Lehrlinge mehr eingestellt, als ursprünglich geplant“, so Nicole Liebernickel. So beginnen im August neun Absolventen ihre Ausbildung in dem Wirtschaftsunternehmen. Im Vergleich zu vor zehn Jahren sei die Lage zwar nach wie vor schwierig. „Aber ich habe das Gefühl, dass es seit etwa zwei Jahren wieder aufwärts geht.“ Einig sind sich alle Unternehmer: Die Zahl der Bewerbungen ist abhängig von der Leistung der Schüler. „Diejenigen, die gut sind und vielleicht noch ein Fachabi dranhängen oder ohnehin studieren möchten, fallen aus dem Kreis der potenziellen Bewerber ohnehin raus“, sagt Nicole Liebernickel.

Die Landkreisverwaltung ist bemüht, die mittelsächsischen Unternehmen bei der Nachwuchssuche zu unterstützen. Deshalb wurde vor einem Jahr eigens für sie ein Karriereportal eingerichtet. Dort können die Firmenchefs ihre Angebote einstellen. In der Region Döbeln gibt es, Stand Mittwoch, 37 eingetragene Firmen, die Ausbildungsplätze anbieten. Die Branchen sind vielfältig: vom Bauarbeiter über Bürojobs bis hin zu Berufen in der Feinwerktechnik.

Das Landratsamt arbeitet sowohl mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) als auch der Handwerkskammer (HWK) Chemnitz zusammen. Das Potenzial an Firmen, die sich beteiligen könnten, ist groß: In der IHK sind etwa 19 000 organisiert, in der HWK etwa 4 500. Die Idee für das Portal war im Rahmen der Woche der offenen Unternehmen entstanden. Es war die mittelsächsische Unternehmerschaft, die ein regionales Jobportal anregte, das neben Voll- und Teilzeitstellen dem Bereich der Berufsorientierung ein stärkeres Augenmerk schenken soll.