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Überleben mit Wolle und Stoff

Seit 26 Jahren betreibt Kerstin Fritzsche den Laden „Kreatif“ in Coswig. Dabei ist sie auf ihre Stammkunden angewiesen.

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© Norbert Millauer

Von Nina Schirmer

Coswig. Die Stoffballen stapeln sich auf dem Tisch. Kerstin Fritzsche muss sich schnell entscheiden: Nimmt sie das Pinguinmuster oder doch lieber das Ice-Age-Motiv? Den gelben oder den grünen Stoff? Der Vertreter kreuzt ihre Wahl auf dem Lieferschein an. Nun ist es Sache der Ladeninhaberin, ob sie die Ware losbekommt. Zurückgeben geht nicht. Die Entscheidung ist jedes Mal eine Gratwanderung. Auf der einen Seite will Kerstin Fritzsche ihren Kunden eine große Auswahl bieten. Andererseits muss sie die Ware auch verkaufen.

Seit 26 Jahren betreibt sie ein Geschäft für Kurzwaren, Stoffe, Wolle und Nähmaschinen in Coswig. „Nähen, stricken und klöppeln war schon immer mein Hobby“, sagt Fritzsche. Dafür gab sie nach der Wende ihren Job als Diplomingenieurin bei Planeta auf. Zuerst eröffnete sie einen Laden am Kreisverkehr, Mitte der 90er-Jahre zog sie in größere Räume am Bahnhof und seit 2006 hat sie ihr Geschäft in der Kötitzer Straße. Das ist etwas abgelegen. Sie ist darauf angewiesen, dass viele Stammkunden bei ihr einkaufen. Kommen doch mal Touristen vorbei, dann sind die vom Angebot meist sehr überrascht. „So etwas gibt es bei uns gar nicht mehr“, sagten vor allem Urlauber aus westdeutschen Städten.

Viele kleine Händler konnten dort mit der Konkurrenz großer Konzerne nicht mehr mithalten. Aber auch hierzulande mussten schon viele aufgeben. Ob in der Neugasse in Meißen oder der Bahnhofstraße in Radebeul und Coswig – überall gibt es leerstehende Geschäfte. Zu vermieten steht auf Zetteln in den Fenstern. Doch es findet sich oft niemand. Mit den Dumpingpreisen im Internet können die lokalen Einzelhändler nicht mithalten. In der Serie „kauf lokal“ beschäftigt sich die SZ in den nächsten Wochen mit dem harten Kampf der kleinen Läden vor Ort.

Auch bei Kerstin Fritzsche ist mit Aufkommen des Onlinehandels einiges schwieriger geworden. Anfangs wusste sie gar nicht, was sie antworten soll, wenn die Kunden fragten, warum die Nähmaschinen bei ihr teurer sind als im Internet. Was viele nicht bedachten: Eine Einweisung in das Gerät gibt es im Internet nicht. Kerstin Fritzsche hingegen nimmt sich für jeden Kunden, der eine Maschine bei ihr kauft, viel Zeit. Auch Reparaturen bietet sie an.

Bei der Wolle ist es ähnlich. Die Geschäftsinhaberin macht ihren Kunden viele Vorschläge. Dafür strickt sie auch selbst immer wieder neue Dinge. Zurzeit sind vor allem Mützen gefragt. Der Kunde kann sich die Modelle ansehen. Wenn er die Wolle kauft, bekommt er die Anleitung zum Stricken kostenlos dazu. Manch einer möchte aber am liebsten nur die Anleitung und die Wolle dann günstiger im Internet kaufen. Doch das geht nicht. Denn von irgendetwas muss Kerstin Fritzsche auch leben.

Mit 40 Arbeitsstunden in der Woche ist sie noch nie hingekommen. Wenn der Laden schließt, nimmt die Verkäuferin noch viel Arbeit mit nach Hause. Die Buchhaltung muss gemacht und neue Ware bestellt werden.

Zwei Wochen im Jahr macht Kerstin Fritzsche Urlaub. „Wenn ich länger weg bin, stapelt sich die Arbeit“. Bereut hat sie den Weg in die Selbstständigkit trotzdem nie. „Ich könnte mir auch keinen reinen Onlinehandel vorstellen“, sagt sie. „Ich möchte den Kontakt mit den Kunden.“

Es ist ein Glück für das Geschäft, dass Selbstgemachtes in den letzten Jahren bei vielen jungen Leuten eine Renaissance erlebt. Vor allem junge Frauen stricken und nähen wieder viel. Fritzsche gibt dafür auch Kurse. Für sie ist das eine Möglichkeit, ihre Kunden zu halten.

Die nächsten Kurse im Geschäft Kreatif: 18. Oktober um 18.30 Uhr: Kinderlätzchen nähen / 22. Oktober um 9 Uhr: Mützen stricken / 5. November um 9 Uhr: Tunesisch häkeln