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Übergriffe auf die Stadtverwaltung

Mitarbeiter wurden gebissen, angegriffen und bedroht. Jetzt soll sie ein Sicherheitskonzept schützen.

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© Youssef Safwan

Von Andreas Weller

Eine Beißattacke im Sozialamt, betrunkene Besucher, tätliche Angriffe auf Mitarbeiter des Ordnungsamtes, verbale Entgleisungen, Drohungen und vieles mehr. Die Brutalität gegenüber Mitarbeitern der Stadtverwaltung steigt. 39 Beschäftigte meldeten 2017 „Vorfälle mit dem Einflussfaktor Gewalt im Dienst“, wie es im Amtsdeutsch heißt. 20 Fälle ereigneten sich in Büros, 18 durch Kinder und Jugendliche gegen Mitarbeiter des Jugendamtes und ein Vorfall beim Außendienst – als beim Stadtfest ein Besucher Widerstand gegen die Polizeibehörde leistete.

Die Vorsitzende des Gesamtpersonalrates im Rathaus, Ines Leiteritz, ist alarmiert. „Wir werden immer wieder mit Berichten von Beschäftigten konfrontiert, aus denen hervorgeht, dass sie durch Bürger Dresdens zunehmend ungebührlich attackiert werden. Es gibt vermehrt nervenaufreibende Konfliktgespräche, Pöbeleien, Beleidigungen, vereinzelt Sachbeschädigungen bis hin zu Drohungen und körperlichen Übergriffen“, schreibt sie in der aktuellen Zeitung des Personalrates. Direkt mit der SZ sprechen möchte Leiteritz über das Thema nicht. Sie rechnet mit einer hohen Dunkelziffer, da viele Mitarbeiter Vorfälle nicht den entsprechenden Stellen melden und diese somit nicht in der Statistik auftauchen. Aber das sei natürlich „kein zu tolerierender Zustand“. Die Gründe für die Entwicklung in Dresden könne sie nicht ausmachen. Dass das Klima aggressiver geworden ist, war bereits bei den Einweihungen von Kunstwerken auf dem Neumarkt oder am Einheitsfeiertag 2016 zu erkennen.

Die Stadtverwaltung kann weitestgehend keine konkreten Personengruppen ausmachen, die die Mitarbeiter attackieren. „In Einzelfällen gibt es Probleme mit aggressiven Jugendlichen, die im Kinder- und Jugendnotdienst untergebracht sind“, so Sprecherin Diana Petters. Deshalb musste auch bereits die Polizei gerufen werden. Sozialarbeiter im Außendienst werden laut Petters häufig verbal und gelegentlich auch körperlich attackiert. „Gelegentlich gibt es auch Probleme mit Reichsbürgern.“

Derzeit arbeite die Immobilienverwaltung an einem Sicherheitskonzept. „Dabei geht es darum, die richtige Balance zu finden zwischen der Sicherheit für die Mitarbeiter und Besucher einerseits und der notwendigen Offenheit und Transparenz eines Verwaltungsgebäudes im 21. Jahrhundert andererseits“, so Sprecherin Petters. Details liegen aber noch nicht vor.

Immerhin werden den rund 6 500 Mitarbeitern der Kernverwaltung aber Schulungen angeboten. Dabei lernen sie eine deeskalierende Kommunikation und auch den Umgang mit möglichen Gefahrensituationen. Es gibt auch Sonderseminare von der Polizei, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen.

Leiteritz hält ein neues Sicherheitskonzept für dringend erforderlich. „Dabei sollte sich die ,Rathausspitze‘ unbedingt vom bisherigen ,Prinzip des offenen Hauses‘ verabschieden, natürlich ohne die Bürger ,draußen‘ zu lassen.“ Bisher kommt jeder nahezu ungehindert zu den Bürozeiten ins Rathaus. Bei den mehr als 50 weiteren Standorten der Verwaltung ist es ähnlich. „In akuten Fällen rufen die Mitarbeiter die Polizei“, so Petters. Aber auch der Sicherheitsdienst könne Hilfe leisten.

Allerdings läuft der Sicherheitsdienst neuerdings regelmäßig Streife durchs Rathaus. Ab Mai soll es ein neues mobiles Notrufsystem geben, das schneller und einfacher funktioniert als ein Handy. Nur im Sozialamt an der Junghansstraße gibt es ein spezielles Sicherheitsteam, weil der Bereich besonders sensibel sei.

Für SPD-Fraktionschef Christian Avenarius ist es kein haltbarer Zustand, dass es bisher kein richtiges Sicherheitsmanagement gibt. „In Zeiten von Pöbeleien, Bedrohungen und tätlichen Angriffen muss die Sicherheit erhöht werden.“ Auch wenn ein „offenes Rathaus“ als transparent gelte, stehe die Sicherheit der Mitarbeiter und auch der Besucher an erster Stelle. „Wir brauchen für alle Verwaltungsstandorte ein neues Sicherheitskonzept.“ Das müsse auch beim Neubau am Ferdinandplatz mit bedacht werden. Avenarius arbeitet als Oberstaatsanwalt im Gerichtszentrum. Dort gibt es seit Jahren Kontrollen. Ähnlich könne es auch bei der Stadtverwaltung funktionieren. Das koste zwar Geld. „Aber für die Sicherung der Daten wird auch viel Geld ausgegeben.“