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Übergriff im Wald

Ein Rentner soll eine zehnjährige Nachbarstochter missbraucht haben. Ihm droht nach dem Prozess am Amtsgericht in Pirna jahrelange Haft.

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Von Stephan Klingbeil

Der Weg zum Wald war nicht weit. „Na komm’ doch, lass’ uns mal eine Runde Quad fahren“, soll Rentner R. zu der zehnjährigen Emily* gesagt haben. Sie sagte nicht Nein. Das kleine Mädchen ist sehr ruhig, hat Respekt vor Erwachsenen, ist folgsam, sagen ihre Eltern. Und R. ist ein guter Freund der Familie. Er wohnt in der Nachbarschaft im selben Sebnitzer Ortsteil wie sie. Emilys Vater wuchs mit dem Sohn des Rentners auf. Man hat gemeinsam gegrillt, gefeiert. Dass sich R. an der Tochter vergangen haben soll, mochte Emilys Vater lange nicht glauben. Heute sei dies anders, sagt der 46-Jährige vor dem Amtsgericht Pirna.

Dort musste sich Rentner R. gestern wegen schweren sexuellen Missbrauchs verantworten. Der 72-jährige Nachbar war im Sommer 2013 das erste Mal mit dem Mädchen unterwegs gewesen. Laut Anklage soll er an einer Wiese angehalten haben. Sie hätte die Jacke ausziehen und ihre Jeans herunterlassen sollen. Er hätte sie befummelt, sie zum Oralsex aufgefordert, wozu es aber nicht kam.

Im Herbst darauf die zweite Quad-Tour, wieder der Stopp am Wald. R. habe sich vor den Augen der Kleinen selbstbefriedigt. Bei weiteren Ausflügen wollte der Rentner laut Anklage mehr. Sie habe die Hose herunterlassen müssen, sagt Emily später aus, hatte Furcht. Er drang mit dem Finger in sie ein. Auch hätte sie ihn küssen müssen. Dann fuhren sie zurück. Auch dieses Mal sprach sie mit keinem über die Vorfälle – aus Angst davor, dass der Freund der Familie wegen ihr ins Gefängnis müsse. Davor hätte dieser das Mädchen bei jedem der Ausflüge gewarnt, hieß es vor Gericht.

Nach ihrem letzten Ausflug zu Ostern soll der Angeklagte gesagt haben, dass beide beim nächsten Mal Sex haben würden. Kurz darauf offenbarte sich Emily ihren geschockten Eltern, zunächst zögerlich, weil die Mutter doch zum Schichtdienst musste. Sie wollte sie nicht aufhalten. Vor Gericht kann die Mutter ihre Tränen nicht zurückhalten. Auch der Vater war perplex, beriet sich mit Nachbarn. Diese riefen die Polizei, die gleich speziell geschulte Beamte schickte, die mit der verstörten Tochter redeten.

„Die Beamten haben gesagt, dass sich meine Tochter das alles niemals ausgedacht haben kann, ihre Therapeutin hat das dann auch bestätigt“, sagt Emilys Vater. Und seine Tochter sei keine Lügnerin.

Genau das behauptet R. jedoch vor Gericht. Der 72-Jährige streitet die Übergriffe ab. „Das Mädchen kam gerne zu mir, wollte doch mit mir Quad fahren“, sagt er. „Ihre Familie soll zerrüttet sein, habe ich gehört.“ Emilys Eltern widersprechen.

R. gibt die Quadfahrten mit Emily zu. Doch sagt er, die Zehnjährige habe sich bei der Fahrt selbst entkleidet, ihm den Schenkel gestreichelt. Er hat seine eigene Version zu jenen Ausflügen. „Sie sagte, sie wolle ein Kind von mir, ich habe mich gewundert, ihr zu Verstehen gegeben, dass sie die Anmachen lassen soll“, erklärt R. vor Gericht.

Das Jugendschöffengericht glaubt ihm nicht. Obendrein sagt eine Nachbarin aus, dass R. sie vor fast drei Jahrzehnten als 15-Jährige begrapscht habe. Und, wie sich in der Gerichtsverhandlung herausstellte, fanden andere Nachbarn in diesem Jahr ihre kleine Tochter, die kurz zuvor verschwunden war, im Haus des Rentners R. wieder. Die Staatsanwaltschaft will diesem Vorfall nun nachgehen.

Außerdem beantragte sie, das Verfahren ans Landgericht Dresden zu verweisen. Damit würde der kleinen Emily erspart, zweimal vor Gericht aussagen zu müssen. Der Pirnaer Richter folgte dem Antrag, auch – so die Begründung – da die Straferwartung für R. im Fall einer Verurteilung „deutlich höher als vier Jahre“ Haft sei.

Der Name wurde von der Redaktion geändert.