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Überall in der Stadt Görlitz fehlen Parkhäuser

Nicht für Autos. Jetzt aber fordern auch Radfahrer gesicherte Stellplätze.

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© nikolaischmidt.de

Von Ralph Schermann

Es werden immer mehr. Fahrräder erobern Görlitz. Und die Verwaltung reagiert: Längst gibt es Verkehrskonzepte nur für die Zweiräder, gibt es Geld für Radwege, erlauben Hinweiszeichen Radlern in Einbahnstraßen Sonderrechte. Und auch die Görlitzer Verkehrsplaner hoffen auf einen weiteren Ausbau, wenn Sachsen für den Doppelhaushalt 2017/2018 insgesamt 19 Millionen Euro an entsprechenden Fördermitteln im Freistaat anvisiert.

Ines Igney ADFC Ostsachsen
Ines Igney ADFC Ostsachsen

Diese Entwicklung wird begrüßt. „Das Fahrrad ist längst nicht mehr nur ein Fahrzeug armer Leute und von Studenten“, sagt der Geschäftsführer des ADFC Sachsen, Konrad Krause. Tatsächlich besitzen laut Statistischem Landesamt 77,3 Prozent aller sächsischen Haushalte mindestens ein Fahrrad. Damit liegt erstmals seit 2008 das Fahrrad mit dem Auto (77,7 Prozent) fast gleichauf. Mehr noch: Viele Menschen greifen bei einem Kauf mittlerweile tiefer in die Tasche, lassen sich edlere Fahrräder etwas kosten. Darin sieht der ADFC aber auch zunehmende Probleme: Für Radtouristen, die auf einem Tagesausflug die Altstadt erkunden wollen, oder auch für Berufspendler fehlen ordentliche Abstellmöglichkeiten – überdacht als Wetterschutz, sicher vor Dieben. „Es würden noch mehr mit dem Rad pendeln, wenn es an Bahnhöfen und Haltestellen sichere Abstellmöglichkeiten für die Räder gäbe“, ist Konrad Krause überzeugt: „Wir brauchen Fahrrad-Parkhäuser. Die Menschen wollen nicht, dass ihre teuren Räder gestohlen oder beschädigt werden.“

Bewachte oder gesicherte Radobjekte haben sich in Nordrhein-Westfalen bewährt. In ganz Sachsen dagegen „gibt es keine einzige solche Fahrradstation“, kritisiert die Verkehrsexpertin der Grünen im Landtag, Katja Meier. Dabei habe das Land in der Radkonzeption noch 2014 eingeräumt, dass bewachtes Fahrradparken an bestimmten Punkten des öffentlichen Nahverkehrs immer wichtiger werde. Der Bau einer solchen Anlage koste jedoch je nach Ausstattung zwischen 200 000 und zwei Millionen Euro. „Deshalb müssen die Kommunen dabei unterstützt werden“, betont die Grünen-Landespolitikerin.

Auch der ADFC Görlitz fordert „wenn schon nicht bewachte, so doch zumindest überdachte, stabile Fahrradständer in ausreichender Zahl im öffentlichen Raum, an öffentlichen Einrichtungen, bei öffentlichen Veranstaltungen sowie vor Läden und in Einkaufszentren“, sagt Sprecherin Ines Igney. Sie betont die Ortsangaben „vor“ und „in“, denn der ADFC lehnt „irgendwo schwer einsehbare Nischen hinter Gebäuden ab.“ Ines Igney ärgert sich zudem besonders über schlecht ausgeführte Kompromisse: „Selbst bei aktuellen Umbauten wie am Zug- oder Busbahnhof wurde darauf nicht gehört. Mal gewinnt der Denkmalschutz, mal fehlt das Geld, und oft wird wohl auch einfach gar nicht daran gedacht.“ Angesichts des steigenden Radverkehrs bedeutet das ein Sparen an falscher Stelle: „Wer mit dem Zug Richtung Dresden fährt, der sieht, dass selbst winzige Ortschaften da oft mehr investieren, weil sie sich bewusst sind, dass mehr Fahrradfahrer für einen Ort ein Gewinn sind.“

Wie es gehen kann, hat die Görlitzer ADFC-Ortstgruppe erst kürzlich demonstriert. Auf dem kleinen Regionalmarkt „Naschallee“ Elisabethstraße hatte der Radclub Fahrräder bewacht – allerdings kostenlos und ehrenamtlich, was nicht dauerhaft geleistet werden kann. Radfahrer zeigten sich von der Idee angetan, „während weder Stadtverwaltung noch Händler Interesse am Thema zeigten“, bedauert Igney. Der Fahrradclub verweist zudem auch darauf, dass in Sachsen das Fahrrad kaum ohne zusätzliche Kosten bei Bus und Bahn mitgenommen werden dürfe. So sei zwar beim Verkehrsverbund Mittelsachsen die Radmitnahme in Bus und Bahn kostenlos, in vielen Städten wie Dresden, Leipzig oder auch Görlitz aber nicht. Eine Mitnahme von Fahrrädern ist allerdings ohnehin nur in Abhängigkeit von freien Stellplätzen möglich – Kinderwagen und Rollstuhlfahrer haben Vorrang. Im Görlitzer Stadtverkehr ist „für die Mitnahme eines Fahrrades ein ermäßigter Fahrschein zu 1,10 Euro (oder Viererkarte zu 4,10 Euro) zu erwerben. Fahrräder von mitfahrenden Kindern unter sechs Jahren werden unentgeltlich befördert“, bestätigt der Leiter Betrieb der Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG), Norbert Weigt. Es gelten zudem auch Fahrradtages- und Fahrradmonatskarten (3,50 und 16 Euro) vom Verkehrsverbund (Zvon).

Für Ines Igney und den ADFC ist das kein Thema: „Die Fahrradmitnahme in Bus und Bahn ist in unserer Region eher ein Platz-, denn ein Geldproblem. Denn die kostenlose Fahrradmitnahme ist zwar eines von vielen schönen Instrumenten, um Menschen das Radfahren schmackhaft zu machen, bringt Bus und Bahn aber sehr schnell auch an Kapazitätsgrenzen. Schon eine vierköpfige Familie kann sich da nicht sicher sein, im Ganzen mitfahren zu können – geschweige denn größere Familien oder eine Radfahrergruppe.“

Zu überlegen wäre es aus ADFC-Sicht, in Bussen und Bahnen mehr Platz für Fahrräder zu schaffen. Dafür aber dürfte sich das Görlitzer Streckennetz nicht lohnen, denn Räder werden überwiegend nur an bergigen Stellen mitgenommen, etwa den Weinberg hinauf oder nach Biesnitz. Generell aber lohne darüber die Diskussion, sagt Ines Igney: „Öffentlicher Personenverkehr und Fahrradfahrer können sich nur gemeinsam als Alternative für den Kraftfahrzeug-Verkehr etablieren.“