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Über Umweg ins normale Leben

Das „Haus am Czorneboh“ in Wuischke hilft alleinerziehenden Müttern und Vätern. Ein Beispiel, das Mut macht.

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© Uwe Soeder

Von Kerstin Fiedler

Hochkirch. Eine Aussage von Konfuzius ist der Leitspruch für den Mutter/Vater-Kind-Bereich im „Haus am Czorneboh“ im Hochkircher Ortsteil Wuischke: „Hier werden dir Türen geöffnet. Hindurchgehen musst du jedoch selbst.“ Eine, die durch die Türen gegangen ist, ist Melanie, heute 27. Zum zehnjährigen Bestehen des Mutter/Vater-Kind-Bereiches der von der Kinderarche Sachsen betriebenen Einrichtung kehrt sie noch einmal dorthin zurück.

Als Melanie im November 2005 nach Wuischke kam, war sie 15 – und schwanger. Ihre Mutter hat damals festgestellt, dass sie ihre pubertäre Tochter und ein Baby nicht allein betreuen kann. „Ich war ein bisschen schwierig“, formuliert die freundliche junge Frau heute rückblickend. Deshalb suchte sich die Mutter Hilfe beim Jugendamt. Und Melanie kam nach Wuischke. Zwei junge Mädchen waren bereits dort. Eine davon Melanies beste Freundin. „Sie hatte damals ihr Kind schon“, sagt Melanie. Noch heute sind die beiden eng befreundet. „Die beste Freundin blieb die beste Freundin, und Melanie hat sich dadurch schnell bei uns eingelebt“, sagt Erzieherin Silke Gräubig, die Melanie über die Zeit ihres Aufenthalts betreute.

Null Bock auf Schule

Waren die jungen Mütter die ersten drei Jahren noch in einer Wohngruppe untergebracht, startete der eigenständige Mutter/Vater-Kind-Bereich 2008 mit sechs Plätzen und einem fünfköpfigen Team. Übrigens sind das immer noch dieselben Kollegen, ist die Leiterin des Hauses in Wuischke, Kristina Jöhling, stolz. Jede Mutter oder jeder Vater hat mit ihrem/seinem Kind ein Zimmer. Andere Räume wie Küche, Duschen und Aufenthaltsräume teilen sie sich. „Ich hatte ein schönes großes Zimmer“, erinnert sich Melanie. Und sie spricht heute auch von den Schwierigkeiten, die sie hatte. Null Bock auf Schule hieß zunächst auch, keine Ausbildung. Im April 2006 kam Joel zur Welt. Und von da an wandelt sich auch Melanie. Sie macht ein Berufsvorbereitungsjahr, auch wenn es manchmal schwer war, alles unter einen Hut zu bekommen. „Manchmal musste ich um 6 Uhr los. Von Hochkirch, wo Joel in der Kita war, bin ich nach Pommritz zum Zug gelaufen“, erzählt sie. Aber dank der Hilfe ihrer Betreuerin hat sie viele Hürden genommen. Auch, als sie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin in Bischofswerda begonnen hatte und dann wieder schwanger war. Den Vater von Luca, der im September 2009 geboren wurde, lernte sie in der Einrichtung in Wuischke kennen. Doch auch dieses Mal war die Schwangerschaft eigentlich nicht gewollt. Der junge Mann verstand sich zwar mit Joel sehr gut, aber die Verantwortung für sein eigenes Kind zu übernehmen, das traute er sich nicht zu. Als Melanie dann im Januar 2010 auszog, war sich Silke Gräubig sicher, dass sie es auch alleine schafft. Und beim sechsten Geburtstag von Joel, das war 2012, da stand plötzlich Sven in der Wohnung von Melanie. „Mein bester Kumpel hat ihn mitgebracht“, sagt sie. Sven ist gleich dageblieben. Die Patchwork-Familie – Sven hat eine Tochter, um deren Sorgerecht er vier Jahre gekämpft hat – ist aller 14 Tage zu fünft. Nun ja, wenn man Polly, den Chihuahua-Mops-Mischling mit dazurechnet, sogar zu sechst. Die Hündin mischt seit Kurzem die Familie auf. „Es war gut, dass ich in Wuischke Regeln kennengelernt habe und dass mir immer jemand den Rücken gestärkt hat“, sagt Melanie heute. Sie ist froh, dass ihre Mutter den Schritt gegangen ist. Noch zumal sie auch viel Hilfe durch ihre Großeltern bekam. „Die konnten auch wir als Betreuer immer anrufen“, lobt Silke Gräubig. Und mindestens einmal im Jahr sind die Wilthener zum Ehemaligentreffen hier. Oder zur traditionellen Motorradausfahrt, an der Sven gleich beim ersten Mal Mitglied bei den Organisatoren, den Motorradfreunden Oberlausitz, wurde. Auch Melanie fährt Motorrad. Sie kann sich ein Leben ohne Kinder nicht vorstellen. Und sie ist stolz auf ihre Jungs. Joel hilft ganz viel im Haushalt, er kann sogar waschen und kochen. In seiner Schule, der Förderschule am Schützenplatz, ist er in der AG Kochen.

Am Sonnabend haben die Mitarbeiter in Wuischke Sponsoren, Freunde und Unterstützer zum zehnjährigen Bestehen vom Mutter/Vater-Kind-Bereich eingeladen. Etwa 65 Mütter und fünf Väter haben die Hilfsangebote in Wuischke in dieser Zeit angenommen. Melanie ist sehr froh, dass sie diese Chance hatte.