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Über einen, der nie schwieg

Eine Würdigung des Lebensweges und der Werke von Stefan Heym lockt viele Zuhörer nach Niesky.

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© Rolf Ullmann

Von Rolf Ullmann

Niesky. Es wurde eng im Esszimmer und dem Wintergarten des Direktorenhauses, vielen auch als das Wachsmannhaus in Niesky bekannt, als am Mittwochabend immer mehr Gäste die Räumlichkeit betraten. Kurz entschlossen wurden zusätzlich Teile des Musikzimmers mit Stühlen bestückt. Schließlich verfolgten über 50 Zuhörer die Lesung über das bewegte Leben eines Schriftstellers, eines Menschen, der nie schwieg: Stefan Heym (1913 bis 2001).

Am Ende der 70-minütigen Lesung war man unwillkürlich bestrebt, hinzuzufügen: Einer, der sich niemals vereinnahmen ließ, einer, der stets unbeugsam blieb und sich nicht verbiegen ließ. Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag knüpfte am Mittwochabend mit ihrer Lesung in Niesky an die Ehrungen für das Lebenswerk von Stefan Heym an.

Franz Sodann, kulturpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Landtag, trug Passagen aus der Biografie des Schriftstellers vor. Annette Richter, Schauspielerin in Dresden, entlockte als Interviewpartnerin Peter Sodann in seiner Rolle als Stefan Heym seine Sicht auf die Dinge in der Gesellschaft und insbesondere in der Politik.

Dabei spannte sich der zeitliche Bogen von den 20er Jahren bis in die jüngere Gegenwart. Als Schriftsteller und als Stefan Heym wurde der aus Deutschland geflohene Helmut Flieg in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1933 auf dem Prager Hauptpostamt „geboren“. Das Licht der Welt erblickte Helmut Flieg jedoch schon am 10. April 1913 in Chemnitz. Bereits mit seinem ersten Gedicht „Exportgeschäft“ über die heimliche Aufrüstung und die militärischen Exporte eckte er 1931 als Gymnasiast gewaltig an. Zum ersten Mal musste er danach seine Heimat verlassen. Über die Station in der Tschechoslowakei gelangte er schließlich in die USA. Als amerikanischer Offizier kehrte er 1945 nach Deutschland zurück. Wie Millionen anderer Menschen auch verband er das Kriegsende mit der Hoffnung, dass nun es keinen Faschismus mehr geben wird, keine Gewalttätigkeit und keine Diktatur mehr, wie es die Hitlerdiktatur gewesen war.

Die Wirklichkeit der Nachkriegszeit mit ihren Kriegen, Bürgerkriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zerstörte diese Hoffnungen jedoch rasch.

Bei seiner Rückkehr nach Deutschland in den frühen 50er Jahren wählte er den östlichen Teil als Domizil. Die Ereignisse um den 17. Juni 1953 verarbeitete er in seinem Roman „Fünf Tage im Juni“. Dieses Werk erschien nur in der Bundesrepublik. Den DDR-Spitzenfunktionären in Partei und Staat waren die darin enthaltenen Passagen über einige der Ursachen, die zum Aufstand führten, unangenehm.

1976 gehörte Heym zu den Unterzeichnern der Petition, mit der DDR-Autoren gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestierten.[In den Folgejahren wurde er aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen, der ihn aber im November 1989 wieder aufnahm. 1990 wurde er auch politisch rehabilitiert.

Sein Auftreten gegen den Alleinvertretungsanspruch der SED fasste Stefan Heym bei seiner viel beachteten Rede am 4. November 1989 während der Großkundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz in die Worte: „Die Macht gehört nicht in die Hände eines einzelnen oder ein paar weniger oder eines Apparates oder einer Partei. Alle müssen teilhaben an dieser Macht.“