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Über dem Abgrund

Forstarbeiter sichern den Hang über dem Tierheim. Die Arbeit ist schwierig und nicht ungefährlich.

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© Dietmar Thomas

Von Marcus Moeller

Leisnig. Das Wetter und die Aussicht sind heute wirklich gut, da lacht das Herz, meint Forstarbeiter Mario Bilski, während er auf einem für das Auge des Zuschauers wackeligen Ast steht und mit einer langen Stabsäge seelenruhig die Zweige des darüberliegenden Astes entfernt. Seine Ruhe ist beeindruckend, denn er steht nicht etwa auf einem Apfelbaum im Garten, sondern auf dem Ast eines Baumes, der über einer gut 30 Meter tiefen Schlucht herausragt.

Mit vereinten Kräften ziehen Mario Bilski (links) und Bernd Kellner den Ast nach oben, den sie zuvor von einem Baum am Hang am Tierheim Leisnig geschnitten haben.
Mit vereinten Kräften ziehen Mario Bilski (links) und Bernd Kellner den Ast nach oben, den sie zuvor von einem Baum am Hang am Tierheim Leisnig geschnitten haben. © Dietmar Thomas
Pause nach schweißtreibender Arbeit: Angela Bilski versorgt ihren Mann Mario (rechts) und Bernd Kellner mit Mittagsbrötchen.
Pause nach schweißtreibender Arbeit: Angela Bilski versorgt ihren Mann Mario (rechts) und Bernd Kellner mit Mittagsbrötchen. © Dietmar Thomas

Der Hang am Leisniger Tierheim liegt am Ende des Grundstücks von Manfred Müller und führt nahezu senkrecht hinab. Umso nötiger ist es, dass die Bäume zurechtgestutzt werden, denn sie ragen einige Meter schräg in Richtung Tal heraus und hängen somit sozusagen in der Luft. „Die Wurzeln verwachsen im Felsen und bringen ihn zum bröckeln“ , sagt Bilski. Deshalb würden nicht nur Steine auf die am Hang liegenden Gebäude fallen, sondern auf Dauer auch die Standfestigkeit der Bäume leiden. Irgendwann wäre schließlich die Last zu groß und die Bäume brächen vom Felsen ab. Insgesamt sind es fünf Bäume, die nun im Auftrag der Stadt Leisnig und des Tierheims das Zeitliche segnen. Sie drohen schon seit einiger Zeit umzukippen und auf die Hundezwinger zu stürzen.

Die Aufgabe ist allerdings alles andere als leicht: „Man hätte das Problem durchaus vor dem Erbauen der Gebäude erkennen können, dann wäre das Ganze einfacher gewesen.“ Ist es aber nicht. Deshalb können die Bäume nicht einfach abgesägt und ins Tal fallengelassen werden, sondern müssen mit Seilen und ohne Höhenangst sozusagen an Land gezogen werden. „Gut, dass Herr Müller uns erlaubt hat, das von seinem Grundstück aus zu erledigen.“ Von der Hangseite aus wäre der Aufwand erheblich höher und das Vorhaben entsprechend teurer geworden. Wohl auch deshalb hatten andere Firmen, die der Tierschutzverein als Betreiber zum Begutachten der Situation eingeladen hatte, erst gar kein Angebot abgegeben. Ihren Einschätzungen zufolge wäre die Aktion nur mit Spezialgerät durchführbar gewesen. Diese Situation hat der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder bei seinem Besuch im Februar in Leisnig angesprochen (DA berichtete). Daraufhin hat sich Uwe Dietrich vom Leisniger Ordnungsamt mit dem Chef des Baumpflegeservices Bilski aus Tautendorf vor Ort umgesehen. Und der sagte zu.

Eine Hangsicherung ist zwar auch für Mario Bilski und seinen Forstbetrieb ein eher seltener Auftrag, aber offenbar kein Problem: „So sieht es bei Profis aus, die Anfänger findet man im Krankenhaus“, sagt er, nachdem er einen weiteren Ast gekonnt entfernt hat. Der schwindelfreie Mann mit dem trockenen Humor kommt ursprünglich aus dem Freileitungsbau: „Ich klettere aber schon von Kindesbeinen an in Baumkronen herum.“ Unterstützt wird er dabei nun schon seit elf Jahren von seinem Mitarbeiter Bernd Kellner. Der arbeitet Baumkletterer Bilski allerdings stets mit festem Boden unter den Füßen zu: „Das muss eben im Blut stecken. Wenn man es sich nicht zutraut, sollte man es lassen“, sagt Bilski, als er sich vom Ast zurück Richtung Felsen bewegt. Seine Augen prüfen vorher jeden nächsten Schritt, den er dann mit Bedacht ausführt.

Ob schwindelfrei oder nicht – sein Forstbetrieb ist immer auf der Suche nach passenden Mitarbeitern. Doch das ist nicht ganz so einfach: „Wir brauchen Leute, die lernwillig sind und Spaß an der Arbeit im Freien haben.“ Die zu finden, sei schwieriger als man denkt.

Tierheimchefin Rosi Pfumfel denkt unterdessen über die Finanzierung der Aktion nach. 4500 Euro kommen vom Deutschen Tierschutzbund. Das hatte Schröder bei seinem Besuch versprochen. Die Stadt Leisnig habe ebenso zugesagt, sich zu beteiligen, wie die Firma Elsner Transport und Logistik aus Naunhof. (mit sig)