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Tunnelbrand-Verursacher vor Gericht

Staatsanwältin Irene Schott beziffert den Schaden auf mehr als eine Million Euro.

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© Rolf Ullmann

Von Frank Thümmler

Am Montag hatte der Brand im Tunnel Königshainer Berge zu Pfingsten 2013 ein weiteres gerichtliches Nachspiel. Der Fahrer des polnischen Lkw stand vor Gericht, der den Unglücks-Lkw fuhr. Der war am 18. Mai im Tunnel stehen geblieben. Aus dem Radkasten rechts vorn schlugen Flammen. Der Transporter brannte letztlich vollständig aus. Der Tunnel wurde derart beschädigt, dass er mehrere Monate für die Reparatur gesperrt werden musste.

Staatsanwältin Irene Schott beziffert den Schaden auf mehr als eine Million Euro. Auf dem Laster ist zudem eine Fleischverarbeitungsmaschine im Wert von 118 000 Euro verbrannt. Vor Gericht soll geklärt werden, ob der Fahrer den Brand hätte verhindern können. Die Staatsanwältin sagt ja und wirft dem heute 62-jährigen Polen fahrlässige Brandstiftung vor. Er hätte den Schaden am rechten Vorderrad vor der Tunneleinfahrt bemerken und anhalten müssen. Die Staatsanwältin forderte eine einjährige Freiheitsstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Der Angeklagte ist sich keiner Schuld bewusst, sieht sich eher als „Held“, der eine Katastrophe verhindert hat. „Dass mit dem Fahrzeug etwas nicht stimmt, habe ich erst im Tunnel bemerkt, als ich im rechten Rückspiegel die Flammen gesehen habe. Ich bin dann langsam rechts rangefahren.“ Tatsächlich stellen bei solchen Bränden die sich entwickelnden Rauchgase eine große Gefahr dar. Was der Pole weiter erzählt, wirft kein gutes Licht auf die Sicherheitstechnik im Tunnel. „Es sind noch ganz viele Autos an mir vorbeigefahren. Ich konnte nicht aussteigen. Offensichtlich stand das Einfahrtssignal noch eine ganze Weile auf Grün.“ Das bestätigten im Nachgang auch eine Autobahnpolizistin als Zeugin und der Sachverständige. Normalerweise sollen Sensoren die Rauschgase erfassen und die Signale automatisch auf Rot stellen. Das hat offensichtlich nicht geklappt. Aber es geht weiter. Der Pole hielt an einem Feuerlöscher, der dann nicht funktionierte. Zwei Anrufe scheiterten am Verständigungsproblem. Als die Feuerwehr eintraf, war es zum Löschen zu spät.

Der Sachverständige, ein Ingenieur der Dekra aus Leipzig, gibt dem Polen trotzdem eine Schuld. Er führte aus, dass es durch die Überladung des Zwölf-Tonners zu einem Radlagerschaden rechts vorn gekommen ist. Nicht der Lkw insgesamt sei überladen, sondern durch eine nicht optimale Verteilung der Lasten die rechte Vorderachse. Das habe über eine weite Strecke – der Fahrer kam aus Frankreich – zu einem Schaden des Radlagers geführt, der sich nach und nach verstärkte. Letztlich glühte das Radlager und zerbrach. „Der Fahrer muss am Lenkrad gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt. Das Fahrzeug ist nicht mehr spurtreu, schwimmt und muss ständig korrigiert werden“, sagte der Ingenieur. Aber der Pole fuhr weiter. Im Tunnel brach als Folgeschaden die Bremsanlage, der Reifen platzte, das Rad stellte sich quer und wickelte sich um die Vorderachse, die auf die Fahrbahn aufschlug. Auch da fuhr das Fahrzeug noch weiter, vorbei an Nothaltebuchten und Notfallsäulen. Bis es bremste – kontrolliert, sagt der Pole, automatisch, meint der Sachverständige. Der unterstellte, dass der Pole unbedingt noch durch den Tunnel, vielleicht über die Grenze wollte.

Die entscheidende Frage, wann der Fahrer die Fahrt hätte abbrechen müssen und ob das den Brand verhindert hätte, konnte aber auch der Sachverständige nicht beantworten. Spätestens im Tunnel, als die Achse auf die Straße aufschlug, hätte er die Veränderung im Cockpit bemerken müssen. Ob der Brand zu diesem Zeitpunkt noch hätte verhindert werden können? Der Sachverständige war sich unsicher. Die Hitze am rechten Vorderrad mit glühenden Eisenteilen war riesig, Kunststoff und Reifen ganz in der Nähe. Der Verteidiger des Polen forderte deshalb Freispruch. Das Urteil fällt am kommenden Montag.