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Tunnelbrand-Verursacher vor Gericht

Es soll geklärt werden, ob der Fahrer den Brand hätte verhindern können. Die Staatsanwältin sagt ja

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© Rolf Ullmann

Von Frank Thümmler

Am Montag hatte der Brand im Tunnel Königshainer Berge zu Pfingsten 2013 ein weiteres gerichtliches Nachspiel. Im Oktober vergangenen Jahres war der slowakische Autofahrer, der am Ende des sich bildenden Staus einen tödlichen Auffahrunfall verursacht hatte, zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Jetzt stand der Führer des polnischen Lkw vor Gericht, der den Brand verursacht hatte. So klar scheint der Fall nicht.

Der Lkw war am 18. Mai 2013 im Tunnel Königshainer Berge stehen geblieben. Aus dem Radkasten rechts vorn schlugen Flammen, die vom Fahrer nicht gelöscht werden konnten. Der Transporter brannte letztlich vollständig aus. Die Tunneltechnik und auch die Tunnelröhre wurden derart beschädigt, dass der Tunnel mehrere Monate für die Reparatur gesperrt werden musste. Staatsanwältin Irene Schott beziffert den Schaden auf mehr als eine Million Euro, in früheren Pressemitteilungen war von 2,4 Millionen Euro Schaden die Rede. Auf dem Laster ist zudem eine Frischfleisch-Schneide- und -Portioniermaschine im Wert von 118 000 Euro verbrannt.

Vor Gericht soll nun geklärt werden, ob der Fahrer den Brand hätte verhindern können. Die Staatsanwältin sagt ja und wirft dem heute 62-jährigen Polen, ein kleiner drahtiger Mann, fahrlässige Brandstiftung vor. Er hätte den Schaden am rechten Vorderrad schon deutlich vor der Tunneleinfahrt bemerken und anhalten müssen. Erst recht im Tunnel, wo der Pole laut Anklage weiterfuhr, obwohl das rechte Vorderrad komplett abgekippt war. Am Ende des Tages forderte die Staatsanwältin eine einjährige Freiheitsstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Tunnelampeln bleiben auf Grün

Der Angeklagte ist sich keiner Schuld bewusst, sieht sich eher als „Held“, der durch sein umsichtiges Handeln eine Katastrophe verhindert hat. „Dass mit dem Fahrzeug etwas nicht stimmt, habe ich erst im Tunnel bemerkt, als ich im rechten Rückspiegel die Flammen gesehen habe. Ich bin dann langsam rechts rangefahren. Wenn ich hektisch gebremst hätte, hätte sich das Fahrzeug sicherlich quergestellt und es wäre für viele Leute in den nachfolgenden Fahrzeugen erst richtig gefährlich geworden.“ Tatsächlich stellen bei solchen Bränden die sich entwickelnden Rauchgase eine große Gefahr da. Was der Pole weiter erzählt, wirft kein gutes Licht auf die Sicherheitstechnik im Tunnel. „Es sind noch ganz viele Autos an mir vorbeigefahren. Ich konnte nicht aussteigen. Offensichtlich stand das Einfahrtssignal noch eine ganze Weile auf Grün.“ Das bestätigten im Nachgang auch eine Autobahnpolizistin als Zeugin und der Sachverständige. Normalerweise sollen Sensoren die Rauchgase erfassen und die Signale automatisch auf Rot stellen. Das hat offensichtlich nicht geklappt. Aber es geht weiter. Der Pole hielt an einem Feuerlöscher, der dann nicht funktionierte. Zwei Anrufe scheiterten am Verständigungsproblem. Als die Feuerwehr eintraf, war es zum Löschen zu spät.

Der Sachverständige, ein Ingenieur der Dekra aus Leipzig, gibt dem Polen trotzdem eine Schuld. Er führte aus, dass es durch die Überladung des Zwölf-Tonners zu einem Radlagerschaden rechts vorn gekommen ist. Nicht der Lkw insgesamt sei überladen, sondern durch eine nicht optimale Verteilung der Lasten die rechte Vorderachse. Das habe über eine weite Strecke – der Fahrer kam aus Frankreich – zu einem Schaden des Radlagers geführt, der sich nach und nach verstärkte. Letztlich glühte das Radlader und zerbrach. „Der Fahrer muss am Lenkrad gemerkt haben, dass etwas nicht stimmt. Das Fahrzeug ist nicht mehr spurtreu, schwimmt und muss ständig korrigiert werden“, sagte der Ingenieur. Aber der Pole fuhr weiter. Im Tunnel brach als Folgeschaden die Bremsanlage, der Reifen platzte, das Rad stellte sich quer und wickelte sich um die Vorderachse, die auf die Fahrbahn aufschlug. Auch da fuhr das Fahrzeug noch weiter, vorbei an Nothaltebuchten und Notfallsäulen. Bis es bremste – kontrolliert, sagt der Pole, automatisch, meint der Sachverständige. Der unterstellte, dass der Pole unbedingt noch durch den Tunnel, vielleicht über die Grenze wollte.

Die entscheidende Frage, wann der Fahrer die Fahrt hätte abbrechen müssen und ob das den Brand verhindert hätte, konnte aber auch der Sachverständige nicht beantworten. Spätestens im Tunnel, als die Achse auf die Straße aufschlug, hätte er die Veränderung im Cockpit bemerken müssen. Ob der Brand zu diesem Zeitpunkt noch hätte verhindert werden können? Der Sachverständige war sich unsicher. Die Hitze am rechten Vorderrad mit glühenden Eisenteilen war riesig, Kunststoff und Reifen ganz in der Nähe. Der Verteidiger des Polen forderte deshalb Freispruch. Das Urteil fällt am kommenden Montag.