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Türkischer Wahlkampf in Deutschland

Türkische Werbung ist nichts Neues in Deutschland. Gerade stehen die Zeichen aber auf Wahlkampf. Weil Türken auch hierzulande wählen können, buhlen die Parteien um ihre Gunst - viel steht auf dem Spiel.

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© dpa

Lena Klimkeit

Berlin. „Cok kolay“, „Es ist ganz einfach“, steht an der Berliner Sonnenallee auf einem Wahlplakat der türkischen Regierungspartei AKP. Eine Hand hält einen Stempel, mit dem sie bei der AK Parti gerade ein „Evet“, „Ja“ gesetzt hat. Türkische Parteien sind vor der Parlamentswahl am 7. Juni auf Wählerfang - auch in Deutschland, wo rund 1,4 Millionen Wahlberechtigte leben und noch bis Sonntag abstimmen können.

Mazlum Öztürk und Deniz Uzundag haben die pro-kurdische HDP gewählt - Öztürk aus voller Überzeugung, Uzundag aus Kalkül. Denn: Kommt die junge, pro-kurdische Partei ins Parlament, sind die Pläne von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vermutlich gescheitert. Er will die Verfassung ändern und in der Türkei ein Präsidialsystem etablieren. Dafür braucht die AKP aber eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. „Beim Wählen muss man rational sein“, sagt Uzundag. Die HDP zu wählen sei der beste Weg, um die Macht der AKP zu beschneiden.

Die Wahlkämpfer der AKP legen sich aber genau wie ihre Kollegen von der HDP oder der republikanischen CHP ins Zeug, die türkischen Staatsbürger in Deutschland von ihrem Wahlprogramm zu überzeugen: Auf dem Wochenmarkt verteilen sie Flyer, bei Autokorsos durch die Stadt zeigen sie die türkische Flagge oder eine weiße Fahne mit einer Glühbirne - dem Parteilogo. Auf der Facebook-Seite eines Berliner AKP-Ablegers werden die Anhänger jeden Tag aufs Neue daran erinnert, wie viele Tage die Wahlbüros noch geöffnet haben. „Gemeinsam sind wir die Neue Türkei“, steht ganz oben auf der Timeline.

„Die HDP und AKP machen intensiv Wahlkampf, sie versuchen, fast jeden einzelnen Wähler an die Urne zu bekommen“, sagt Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die HDP biete an, Wähler von Zuhause abzuholen, wenn sie nicht anders zum Wahllokal kommen. Und die AKP bekomme finanzielle Unterstützung von der Regierung, sagt Sofuoglu. Anfang Mai kam Erdogan höchstpersönlich nach Karlsruhe, offiziell, um die Türken zur Teilnahme an der Wahl zu motivieren. Die Opposition aber wirft Erdogan vor, Wahlkampf für die islamisch-konservative AKP zu betreiben, obwohl er als Präsident parteipolitisch neutral sein muss.

Auch weniger bekannte, kleine Parteien buhlen in Deutschland um die Wählergunst: etwa die nationalistische Partei der unabhängigen Türkei (BTP) oder die islamistische Saadet Partisi, die Partei der Glückseligkeit. „Das sind ideologische Parteien, die aber keine entscheidende Rolle spielen“, sagt Sofuoglu.

Behice Duran kann zwar nicht wählen - sie hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Dennoch besucht sie eine Wahlkampfveranstaltung der HDP in Kreuzberg, wo HDP-Mitglied Jiyan Durgun von radikaler Demokratie, Frauenrechten und Gleichheit aller Ethnien spricht. An einem kleinen Stand kann man Jutebeutel mit dem bunten HDP-Baum, Buttons oder Aufkleber kaufen.

Viele von Durans Freunden hätten sich für die HDP entschieden, auch, weil die größte Oppositionspartei CHP nichts in Bewegung setze. „Viele waren nach den Gezi-Protesten enttäuscht, dass die CHP nichts verändert hat“, sagt Duran. „Ob ich HDP gewählt hätte, weiß ich nicht. Ich hätte dann wohl doch noch mal ordentlich recherchieren müssen.“ Durans Freundin Nuray Sevendik dagegen ist überzeugt: „Die AKP muss zum Ende kommen“, sagt sie. „Dieses Jahr habe ich die Hoffnung, dass sich etwas verändert.“

Glaubt man dem türkischen Generalkonsul in Berlin, Ahmet Basar Sen, wird sich der Wahlkampf bis zur letzten Minute lohnen. „Wer meine Landsleute kennt, weiß, dass sie auf den letzten Drücker kommen werden“, sagt er. Bis Mitte der Woche hatten in 13 Konsulaten in Deutschland rund 380 400 Wahlberechtigte abgestimmt - das entspricht 27,1 Prozent. Das Konsulat rechnet mit 35 Prozent bis zum Ende der Wahl. (dpa)