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Tuchmacherhaus als ein lebendiges Museum

Denkmale müssen wenigstens gesichert werden – manchmal für die nächste Generation.

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Großenhain. Denkmalschutz bedeutet zusätzliche Kosten und behördliche Gängelei. Doch ist das wirklich so? Die SZ sprach mit Dr. Andreas Christl, Sachgebietsleiter in der Denkmalbehörde des Landkreises Meißen, und Antje Hainz, die vor allem für Großenhain zuständig ist.

Die Symmetrie des Dachgebälks hat die Denkmalschützer darauf gebracht, dass Haus 9 und 11 wohl früher zusammen das Tuchmacherhaus waren.
Die Symmetrie des Dachgebälks hat die Denkmalschützer darauf gebracht, dass Haus 9 und 11 wohl früher zusammen das Tuchmacherhaus waren. © privat
Ronny Götze (oben) deckt 2014 mit seinem Kollegen die losen Dachschindeln ab.
Ronny Götze (oben) deckt 2014 mit seinem Kollegen die losen Dachschindeln ab. © Anne Hübschmann
Dr. Andreas Christl und Antje Hainz sorgen sich mit drei weiteren Kollegen um gut 6200 Denkmale im Landkreis und viele Bauvorhaben.
Dr. Andreas Christl und Antje Hainz sorgen sich mit drei weiteren Kollegen um gut 6200 Denkmale im Landkreis und viele Bauvorhaben. © Anne Hübschmann

Dr. Christl, in welcher Epoche leben wir aus Ihrer Sicht als Denkmalschützer?

In einer Zeit, in der sich der Normalbürger daran gewöhnt hat, dass er Rechte, aber völlig vergessen hat, dass er Pflichten hat. Wenn etwas einfällt, wird nach den Behörden gerufen – nicht nach dem Eigentümer. Wir leben in einer Zeit, in der mancher wirklich kein Geld für sein liebgewonnenes Haus hat und andere Fördergelder in beträchtlicher Höhe bekommen und am liebsten immer noch mehr Geld herausschlagen wollen. Wir leben in einer Zeit, in der 1200 Denkmale von gut 6200 im Landkreis Meißen nach der Wende immer noch nicht angefasst wurden und in einem kläglichen Zustand sind. Schloss Promnitz zum Beispiel oder das Rittergut Wülknitz-Tiefenau. Und auch die Kommunen gehen da nicht immer vorbildhaft mit Denkmalen um – vom Rittergut Tanneberg ist der kommunale Teil inzwischen völlig zusammengefallen. Noch vor 15 Jahren wäre es mit geringem Aufwand möglich gewesen, das Dach zu sichern.

Aber können das die Kommunen und privaten Bauherren leisten?

Ich war letzte Woche vom alten Teil des Schlosses Schönfeld überrascht, auch wenn der Anlass des Besuchs, die Vandalismusschäden aufzunehmen, traurig war. Aber das Dach ist dicht, kein Schwamm im Haus, die Lüftung gegeben, es wird kontrolliert – in dem Dämmerzustand kann es auch für die nächste Generation stehenbleiben. Aber ständiger Bauunterhalt lohnt sich immer. Aber wir müssen aufhören, nur in Legislaturperioden zu denken.

Das dürfte städteplanerisch natürlich ein Problem für die Politik sein.

Natürlich. Nehmen Sie nur mal den ‘Stadtumbau-Ost’, der die Städte von außen nach innen zurückbauen sollte. Wir haben damals vorgeschlagen, Gründerzeithäuser in den äußeren Stadtringen zu sichern, für spätere Jahrzehnte, wenn die ‘Platte’ hier und da leergezogen ist. Da gab es völliges Unverständnis bei den Politikern, über solche Zeiträume könne man nicht planen. Heute haben wir vielerorts die Situation, dass Wohnungsgesellschaften außerhalb des Stadtkerns ihren Bestand saniert haben und zur Innenstadt Lücken oder Ruinen entstanden sind. Wir haben mit Förderprogrammen oft Probleme geschaffen, die wir irgendwann mit neuen Programmen wieder versuchen werden zu beheben.

Für den privaten Eigentümer geht es doch aber immer um ganz praktische Fragen. Muss Denkmalschutz immer die teure Variante sein?

Es stimmt nicht, dass Denkmalschutz immer mit Mehrkosten verbunden ist. Zumindest muss es nicht so sein. Müsste ich denn bei einer Sanierung immer alle Baustoffe komplett entsorgen? Muss ich denn neue Sackware Lehm ordern, wenn der Lehm auch im Lößboden im eigenen Garten liegt? Die Industrie-Lobby gaukelt uns das vor. Ich halte auch manche Verordnungen, Vorgaben von Versicherern oder Handwerksinnungen für völlig überzogen. Das Bauen im Bestand mit wiederverwertbaren Materialien ist uns doch abhanden gekommen. Gehen Sie mal zu einem Dachdecker und fragen nach einer Umdeckung. Da war es mal üblich, gute Ziegel wiederzuverwenden. Aber heute, da gibt`s eine DIN, da kann die Firma keine Garantie geben, da gibt`s keinen Versicherungsschutz. Aber dieses Bestandsbauen wäre nachhaltig und es spart Kosten.

Könnten Sie als Denkmalschützer – mit dem Wissen um diese Dinge – nicht im Zweifelsfall mit Forderungen zurückgehen, damit lieber etwas gemacht wird?

Wenn ich dem einen Kunststofffenster zubillige, obwohl in das Haus Holzfenster gehören, dann kommen ganz schnell die großen Investoren und sagen mir: ‘Dort haben Sie das genehmigt, jetzt will ich das auch.’ Ich muss nach Objekt urteilen, nicht nach Eigentümer. So besagen es die Charta von Venedig und Athen. Aber glauben Sie mir, wir suchen immer einen Weg im Sinne des Eigentümers. Nur ich habe den Eindruck, dass Zugeständnisse als Schwäche ausgelegt werden. Und ich habe zunehmend das Gefühl, es wird schwieriger, Bauherren und Architekten dafür zu begeistern, wie schön die Einbeziehung alter Dachstühle oder historische Flurbemalungen aussehen können. Es ist oft mühevoll zu erklären, dass Hausbesitzer den alten Putz nicht einfach abschlagen können, dass da Schichten verschiedenster Farbgebung darunterliegen, die Geschichte ihres Hauses. Nehmen Sie zwei Beispiele aus Großenhain: Einmal die Predigerhäuser an die Marienkirche, wo anfangs nur von Abriss die Rede war und jetzt bestätigt sich, hier gibt es Bemalungen, die sind ein Unikat. Das hat keiner für möglich gehalten. Oder das Haus an der Berliner Straße, wo der Eigentümer schon angefangen hatte, zu bauen. Wie wollten erst einmal wissen, was ist denn an der Stelle noch von der Stadtmauer da? Und siehe da, dort stehen originale Sandsteinkragsteine von der Stadtmauer, die es sonst in Großenhain nirgendwo mehr gibt. Das war dem Bauherrn gar nicht klar, was er da Kostbares hat. Es wäre ein viel wichtigerer Teil unserer Arbeit, Eigentümer dafür zu sensibilisieren. Ihn zu neuen bautechnischen Lösungen zu beraten, die denkmalsgerecht sind. Denkmale gehören doch zu unserer Identität, das haben unsere Vorfahren geschaffen. Wir sind so desinteressiert und reden großartig von unserer Identität. Natürlich sind Schulen und Kindergärten vorrangig, aber Baupflege ist nicht weniger wichtig als Grünpflege.

Das wäre sicher förderlicher, als ein Behörden-Bescheid im Briefkasten!

Das wäre mein größter Wunsch. Seit 2007 ist die Zahl der Mitarbeiter in der Denkmalschutzbehörde von zwölf auf fünf zurückgegangen, die für die 6200 Denkmale und alle Bauvorhaben zuständig sind. Der Landerechnungshof hat jetzt erklärt, dass eine Stelle pro 1500 Denkmale ausreicht. Basis dieser Berechnung waren die verschickten Bescheide. Alles andere – wie Prävention, Beratung, Begleitung – wird mit fünf Prozent der Arbeitszeit angesetzt. Für vieles reicht die Kraft unserer Mitarbeiter nicht. Wir haben seit Jahren angeregt, in der Lommatzscher Pflege ein Freilichtmuseum einzurichten. Wir haben dort inzwischen über zehn Orte mit einstelliger Einwohnerzahl – es gibt Gebäude, die einfach nicht durch Wohnen zu erhalten sind. Das sind wichtige Zeugnisse der Region, die sonst verloren gehen. Aber unsere Rufe verhallen ungehört. Wir würden auch weitere Bauforschungen für die Siegelgasse 9 und 11 in Auftrag geben, um Fakten zu sichern und vielleicht Neues herauszufinden.

Das alte Haus der Tuchmacher in Großenhain – ist da nicht alles bekannt?

Das dachten wir anfangs auch. Aber vor zwei Jahren wurde das Dach gesichert und zum Vorschein kam ein gewaltiger Dachstuhl mit alten Handwerkerinitialen. Die Geometrie der Häuser, die Symmetrie der Dachbinder weisen darauf hin, dass beide Häuser einmal zusammengehörten. Hier haben die Großenhainer etwa 1745 nach dem großen Stadtbrand voller Stolz gesagt: ‘Wir bauen unser Tuchmacherhaus wieder auf’ – mit diesen mächtigen Balken, die die schweren bleiversiegelten Leinenrollen tragen mussten. Großenhain war eine Tuchmacherstadt mit einer starken Tradition – hier könnte man mitten in der Stadt das Museum erweitern. Das wäre gelebte Geschichte. Aber solche Projekte brauchen Kraft, Zeit, Geld und auch etwas Glück.

Es scheitern ja schon einfachere Projekte, ich denke an die Archivdecke in der Apothekergasse 2 am Rathaus, nachdem man sich damals mit der Stadt nicht einigen konnte!

Tja, da sind wir wieder am Ausgangspunkt des Gesprächs. Manche Denkmale lassen sich nur sichern und für die nächste Generation aufheben – aber sie müssen wenigstens erhalten bleiben. Wir sind Archivare, die schauen, dass die Akten dableiben. Manchmal auch erst für die nächste Generation.

Es fragte Birgit Ulbricht