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Tuch, Tanz und Tafeln im Keller

Die SZ erinnert an Gebäude und Menschen, die jeder kennt, die aber nicht mehr da sind. Heute: das ehemalige Gewandhaus.

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© privat

Von Heike Schwalbe

Auf dem Rathausplatz 14 ist in der zweiten Jahreshälfte 1973 mit dem „Gewandhauskeller“ die damals einzige Zittauer Kellergaststätte eröffnet worden. Lange schon davor war dieses Restaurant Stadtgespräch und darum der Ansturm nach der Eröffnung groß. Über einen engen Treppengang ging es dann hinab zu den Kellerräumen mit der Gewölbedecke, in denen sich das Restaurant befand. Rustikale Möbel und Keramik auf den Tischen, stilgerecht ohne die üblichen Tischdecken, sorgten für Atmosphäre. Anfangs war der Weinkeller von 19 bis 24 Uhr geöffnet, später auch in den Mittagstunden. Keine Aufzeichnung gibt es über Gründe und Jahr der Schließung in der Wendezeit. Jedoch haben das darüber errichtete frühere „Gewandhaus“ genannte Gebäude sowie sein Vorgänger eine längere Geschichte.

... ein Schuhgeschäft.
... ein Schuhgeschäft. © Heike Schwalbe

Zittau hatte sich bereits im 14. Jahrhundert zu einer Stadt mit einer wohlhabenden Tuchmacherinnung entwickelt. Darum konnte diese auch im 1354 errichteten gotischen Rathaus Gewandkammern nutzen. Aber ein eigenes Haus tat not. So wurde 1531 Zittaus erstes Gewandhaus an dessen Ostseite am Rathausturm errichtet. In einem großen Saal konnte nun gehandelt werden, doch auch für Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen nutzte man es. Dieses Gewandhaus wurde 1608 bei einem Stadtbrand vernichtet und zwanzig Jahre später wieder aufgebaut. Die nächste große Katastrophe erfolgte für die ganze Stadt am 23. Juli 1757. Beim Bombardement durch österreichische Truppen fiel fast alles in Schutt und Asche, auch das Gewandhaus. Erst 1880 war es so weit und an der Ecke Rathausplatz/Frauenstraße entstand Zittaus neues Gewandhaus.

Familie Thunig erwarb das Gebäude Anfang des 20. Jahrhunderts und erwirkte den Umbau zu einem zeitgemäßen modernen Kaufhaus mit Galanterie-, Porzellan-, Leder- und Spielwaren, in der Mitte gab es Kaisers Kaffeegeschäft und auch ein Möbelhandel war in diesem Haus vorhanden. Von 1914 bis 1918 führte die weiße und rote Linie der Zittauer Straßenbahn am Gewandhaus vorbei. Diese, die Ostfront des Rathauses, die Geschäftshäuser ringsum sowie der herrliche Zittavia-Brunnen (1889-1940) davor gaben dem Platz ein fast großstädtisches Flair. Zu DDR-Zeiten wurde das Gewandhaus ab 1952 erneut eine beliebte Einkaufsstätte. Auch Stoffe wurden wieder angeboten. Das Geschäftshaus wurde nach Umbau 1972 neu eröffnet, war nun Zittaus größtes HO-Kaufhaus „Etikette“. Hier gab es Damen- und Herrenkonfektion sowie Wäsche und Kurzwaren in Selbstbedienung im Parterre. Sämtliche Schmuckelemente an der Fassade wurden entfernt und die Fensterfront verändert. Die kurze Zeit des Gewandhauskellers fiel in diese Zeit. Nach der Wende mietete eine große Schuhfirma das Gebäude , nannte es „Schuhhof“ und bietet bis heute Fußbekleidung an.