Merken

Tschüss, Luisenhof!

Katerfrühstück, Bar-Damen und ein Techtelmechtel: Zwei Stammgäste verabschieden sich vom beliebten Ausflugslokal.

Teilen
Folgen
NEU!
© André Wirsig

Von Sandro Rahrisch

Um das Kuchenbuffet kommt Gunther Emmerlich bis heute nicht herum. Der Sänger schwärmt vom gedeckten Apfelkuchen im Luisenhof, von der üppigen Quarktorte und der Eierschecke, die er immer dann holt, wenn er in seiner benachbarten Villa Gäste zum Kaffeetrinken erwartet. Dass die Türen des Loschwitzer Traditionsrestaurants ab Montag verschlossen bleiben, mag sich Emmerlich nicht vorstellen. Seit über 40 Jahren ist er Stammgast im Luisenhof.

Ihr Lieblingsplatz im Luisenhof ist auf dem Podest. Dort hat Stammgast Brigitta Engländer einen freien Blick auf das Dresdner Elbtal. Foto: André Wirsig
Ihr Lieblingsplatz im Luisenhof ist auf dem Podest. Dort hat Stammgast Brigitta Engländer einen freien Blick auf das Dresdner Elbtal. Foto: André Wirsig © André Wirsig

Moderator Thomas Gottschalk, Liedermacher Reinhard Mey, Polizeiruf-Schauspieler Jürgen Frohriep: Die Liste der Prominenten, mit denen der Entertainer von der Sonnenterrasse auf die Elbe geblickt hat, ist lang. Hier entstand die Idee zur Fernsehshow „Zauberhafte Heimat“. Als Emmerlich 1972 nach Dresden kommt, gilt die Luisenhof-Tanzbar in den unteren Räumen als Geheimtipp bei Dresdens Studenten. „Und die Barfrau war äußerst attraktiv“, erinnert sich der damalige Junggeselle. Aber auch im Restaurant habe das Konzept gestimmt. „Wo in anderen Kneipen Honecker an der Wand zu sehen war, hing im Luisenhof ein Bild des Matterhorns.“ In der Gaststätte habe er Radeberger im Krug bekommen – zu dieser Zeit unüblich, ist das sächsische Bier doch größtenteils ins Ausland exportiert worden.

Als Emmerlich im vergangenen Jahr seinen 70. Geburtstag feiert, klopft er am Morgen danach mit seinen Gästen am Luisenhof an. „Eine Riesentruppe, wir waren noch leicht angeschlagen, wollten frühstücken, hatten aber nicht bestellt.“ Inhaber Armin Schumann macht es möglich, dass alle einen Platz auf der Terrasse bekommen. „Er ist der Wirt, der an jeden Tisch geht und die Gäste mit Handschlag begrüßt“, sagt Emmerlich. Das habe er immer an ihm geschätzt. Erst vor wenigen Jahren haben beide erfahren, dass sie etwas im Leben verbindet: eine Frau, Schumanns Schwiegermutter. „Ich habe in Weimar studiert, sie auch, wir hatten ein kurzes Techtelmechtel.“ So wie das unter Studenten eben sei. Erst zum 110. Jahrestag des Luisenhofs haben sie sich wiedergesehen.

Zum Abendbrot eine Kartoffelsuppe

Emmerlich bedauert, dass Schumann die Bergbahnstraße verlässt. „Wenn es abends schnell gehen musste, bin ich in den Luisenhof gegangen und habe eine Kartoffelsuppe bestellt. Wenn ich etwas mehr Zeit hatte, gab es Dresdner Sauerbraten.“ Schumann hat den „Balkon Dresdens“ 13 Jahre betrieben. Als die Immobilie im Dezember den Eigentümer wechselte, erhielt der Wirt die Kündigung. Zwar sollte ein neuer Mietvertrag aufgesetzt werden, die Pacht aber um 5 000 auf 19 000 Euro im Monat steigen. Gemeinsam mit seiner Frau hatte Armin Schumann im Februar entschieden, nicht zu unterschreiben. „Sicherlich ist Eigentum ein hohes Gut, und der Erhalt des Hauses muss sich auch rechnen“, sagt Emmerlich. „Aber beim Luisenhof besteht ein Allgemeininteresse. Ich begreife nicht, wie man durch Pachterhöhung eine so attraktive Gaststätte aufgeben kann.“

Für Brigitta Engländer ist der Luisenhof ein Teil ihres Lebens. Die Dresdnerin ist in Loschwitz geboren worden, dort aufgewachsen und heute Emmerlichs Nachbarin. Fasching, Neujahr und unzählige Geburtstage hat sie in dem Restaurant gefeiert, ein Stammgast wie ihr Nachbar. „Wenn Frau Engländer zu mir kommt, dann weiß ich: Zu 90 Prozent nimmt sie Scholle“, sagt Armin Schumann. Am liebsten sitzt die Rentnerin an einem Tisch auf dem Podest, mit Ausblick auf Dresden. Sie ist dem Wirt dankbar, sagt sie. Er habe sein Herzblut in die Gaststätte gesteckt und den Spagat geschafft, dass sich gut Betuchte und Wanderer gleichermaßen wohlfühlen. „Sobald er gemerkt hat, dass ein Geburtstagskind das Restaurant betritt, hat er ein Törtchen aus der eigenen Confiserie gebracht“, sagt Brigitta Engländer. „Und das stand am Ende nicht mit auf der Rechnung.“ Die Liebe Emmerlichs zum Kuchenbuffet teilt sie. „Das ist einmalig.“ Touristen, die an ihrem Haus vorbeikommen, schickt sie deshalb in den Luisenhof. Eine Lieblingstorte hat die Loschwitzerin nicht. „Ich gehe da immer nach dem Aussehen.“

„Bergbahn wird Fahrgäste verlieren“

Wenn das Lokal am Sonntag schließt, wird es auf der Straße sehr ruhig werden, da ist sich die Rentnerin sicher. „Es hat so lange gedauert, bis Touristen nach der Wende wieder hierher gefunden haben“, sagt sie. „Deshalb bin ich wahnsinnig traurig, dass sich niemand von der Stadt oder den Verkehrsbetrieben für den Luisenhof eingesetzt hat. Die Bergbahn wird Gäste verlieren und das Wohngebiet an Attraktivität.“

Die Makler bemühen sich laut eigenen Aussagen immer noch, einen neuen Pächter zu finden, der im Luisenhof wieder ein Restaurant betreiben wird. „Eigentlich hätte es so sein müssen: Schumann geht, Müller kommt“, sagt der Wirt. „Aber Müller gibt es nicht.“ Es werde schwer werden, nach einer längeren Schließung wieder Gäste hinaufzulocken. Gunther Emmerlich wird dem Ausflugslokal und Armin Schumann am Samstag den letzten Besuch abstatten, bevor er zu einem Auftritt nach Thüringen aufbricht. Beim Flohmarkt am Sonntag wird sich Brigitta Engländer von ihrem Luisenhof verabschieden.