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Tschechische Fischstäbchen

Esswaren in Osteuropa sind so schön verpackt wie im Westen. Aber der Inhalt ...

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© dpa/Horst Ossinger

Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Sie fühlen sich als Abfallkorb der westlichen Lebensmittelindustrie und Verbraucher zweiter Klasse. Mit solchen Worten beschweren sich Tschechen, Slowaken und andere Osteuropäer über offenkundige Missstände im EU-Binnenhandel. Der Vorwurf: Westliche Markenprodukte haben beim Verkauf im Osten eine schlechtere Qualität und sind obendrein auch noch teurer als vergleichbare Produkte in Deutschland. 

Tests belegen die Vorwürfe. Zuletzt der, der von der Hochschule für chemische  Technologie in Prag vorgenommen wurde. Die Fachleute unterzogen dabei 24 Lebensmittel, die unter demselben Produktnamen in Deutschland und Tschechien gekauft worden waren, einer Prüfung. Ergebnis: Ein Drittel der Produkte hatten unterschiedliche Zusammensetzungen, obwohl sie identisch sein sollten. 

Von außen sieht man keine Unterschiede. Etwa bei Büchsen mit Eistee. Die eine wurde für Deutschland, die andere für Tschechien produziert. Projektkoordinator Jan Pivonka stellt fest: „Nicht nur, dass der tschechische Tee 40 Prozent weniger Teeextrakt als der deutsche Tee hatte. Es wurden auch unterschiedliche Süßungsmittel eingesetzt. Zucker für Deutschland, billige Zuckerersatzstoffe für Tschechien.“

Margarine und Joghurt in Deutschland waren deutlich fettreicher als in Tschechien. Fischstäbchen für Tschechien enthielten sieben Prozent weniger Fisch als die, die über deutsche Ladentheken gingen. Extrem der Unterschied bei einem Frühstücksfleisch aus der Dose: Das deutsche Produkt bestand hauptsächlich aus Schweinefleisch. In der für Tschechien bestimmten Dose fand man maschinell von Geflügelknochen gelösten minderwertigen Knochenputz, sogenanntes Separatorenfleisch. Wohlgemerkt handelte es sich durchweg um Produkte desselben Namens in gleicher Verpackung, nur mit Informationen in der jeweiligen Landessprache.

Die angesprochenen Hersteller argumentierten in einigen Fällen damit, dass die Zusammensetzung der Lebensmittel den „langjährigen Geschmacksgewohnheiten“ in den jeweiligen Ländern entspräche. Miroslav Koberna von der tschechischen Lebensmittel- und Landwirtschaftskammer meint dazu: „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass tschechische Verbraucher qualitativ bedenkliches Separatorenfleisch ordentlichem Schweinefleisch vorziehen.“ 

Seine Skepsis wurde durch Geschmackstests bestätigt. Die zeigten, dass die Tschechen ganz andere Geschmacksgewohnheiten haben, als die Firmen zu glauben wissen. Die für Tschechien bestimmten Lebensmittel, die besonderen Anklang hätten finden müssen, fielen bei den tschechischen Verkostern reihenweise durch.

Die Europaabgeordnete Olga Sehnalova von den tschechischen Sozialdemokraten will gegen die seit Jahren gängige Praxis vorgehen. Sie spricht von „Diskriminierung“ des Ostens. Der Präsident der tschechischen Lebensmittel- und Landwirtschaftskammer, Miroslav Toman, sieht verschiedene Gründe für den Missstand: „Die Lebensmittelketten drücken die Preise immer weiter nach unten“, sagt er. Die Produzenten müssten dem Rechnung tragen und sparten zum Beispiel bei Rohstoffen.

Dass zu allem Unglück häufig auch noch die Preise in Tschechien über denen für dasselbe Produkt in Deutschland lägen, liege unter anderem an der Mehrwertsteuer. Die ist in Tschechien für Lebensmittel vor einigen Jahren von fünf auf 15 Prozent angehoben worden. Also achtet der tschechische Durchschnittsverbraucher sehr auf den Preis. Das findet man beim Einkauf in den tschechischen Supermärkten bestätigt. Kaufland etwa verbilligt an jedem Donnerstag einige Waren. Die Folge sind völlig überfüllte Supermärkte der deutschen Kette. Vor allem Rentner und Menschen mit geringem Einkommen stehen dann mehr in den Läden, als dass sie mit ihren Einkaufswagen vorwärts kommen würden.

Tschechen, die in der Nähe der deutschen Grenze wohnen, haben schon vor geraumer Zeit die Konsequenzen gezogen: Sie fahren einmal in der Woche mit dem Auto zum Großeinkauf über die Grenze zu den deutschen Nachbarn. Das Gekaufte schmeckt nicht nur häufig besser, die Einkaufspendler sparen trotz der Benzinkosten auch noch bares Geld.