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Tropengewitter über Sachsen

Die Unwetter bleiben, und der Wetterdienst warnt vor neuem lokalem Starkregen mit Überschwemmungen.

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© Bernd März

Von Stephan Schön

Nicht mal mehr eine Stunde bleibt noch. Halb vier gestern Nachmittag beim Deutschen Wetterdienst in Leipzig. Meteorologe Thomas Hain mustert die Monitore, während er mit der Sächsischen Zeitung spricht. „Moment mal, die muss jetzt erst raus.“ – Die Unwetterwarnung für Nordsachsen: starkes Gewitter, Starkregen.

Noch zwei Tage lang wird dies so weitergehen. So lange werden die Unwetter Sachsen im Griff haben, prophezeit Thomas Hain. Alle Zutaten für tropische Gewittergüsse bleiben: Hitze, feuchte Luft und nasser Boden. Mit bis zu 100 Liter Wasser auf den Quadratmeter in nur zwei Stunden müsse bei solchen Ausgangsdaten im Extremfall gerechnet werden, erklärt der Meteorologe.

Das ist das Doppelte eines normalen Monatsniederschlags, wenn auch nur sehr lokal. Kleine Bäche treten jedenfalls über die Ufer. Schlammlawinen gehen an Hängen ab, so wie bereits gestern über die A9. Aber anders als 2002 und 2013 wird die Elbe nicht das Land fluten.

Die Luft steht unverrückbar

Dass den Meteorologen für ihre Gewitterwarnung nur eine Stunde bleibt, liegt an der Wetterlage. Feuchte Höhenluft steht unverrückbar über Mitteldeutschland. Und sie bekommt durch die hohen Temperaturen am Boden immer mehr Feuchtigkeit hinaufgepumpt. „Geradezu auf der Stelle wachsen dann die Gewitterzellen und bleiben dort stehen, bis sie restlos abgeregnet sind“, sagt Hain. „Darin liegt die eigentliche Gefahr. Da verteilt sich halt nichts.“

Neue Technologien sollen in einigen Jahren langfristigere Gewitterprognosen ermöglichen. Am Leipziger Tropos-Institut entwickelt Hartwig Deneke mit seiner Arbeitsgruppe neue Wettermodelle aus aktuellen Satellitendaten. Das könnte die Gewittervorhersage revolutionieren, dauert aber noch vier, fünf Jahre.

Gittermodelle, Supercomputer, Helikopter-Stippvisiten

Auch der Deutsche Wetterdienst baut sich neue Gittermodelle. Solche, deren Maschen nur noch einen Kilometer weit sind und damit die Gewitterzellen nicht mehr durchs Datennetz fallen. Supercomputer sind eine Voraussetzung, die richtigen Gleichungen zur Berechnung der Atmosphärenphysik die andere. Auch die werden im Tropos-Institut aufgestellt, sind aber noch lange nicht ausreichend. Um sie zu verbessern, besuchen die Leipziger Forscher mit ihrem Helikopter solche Gewitterwolken auch direkt – aber nur wenn sie im Entstehen sind.

Morgen bleibt der Helikopter jedenfalls am Boden. Dann erwartet DWD-Meteorologe Thomas Hain erneut schwere Unwetter über Sachsen und Thüringen. „Erst danach wird es ruhiger.“ Ganz langsam bewegt sich der tropische Wassertopf über die Alpen hinweg nach Genua zum Golf. Dort füllt er sich noch einmal kräftig.

www.dwd.de