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Trockenübung für Waldarbeiter

Bäume fällen ist eine der gefährlichsten Tätigkeiten – regelmäßiges Training wie jetzt im Tharandter Wald sind ein Muss.

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© Egbert Kamprath

Von Annett Heyse

Die Zahlen sind beachtlich: 500 bis 1.000 Bäume fällt jeder Waldarbeiter zwischen Freital und Zinnwald jährlich. Routine möchte man meinen, doch weit gefehlt: „Jeder Baum ist anders, jedes Fällen auch.“ Das sagt Robert Uhlig und schiebt den Gehörschutz über die Ohren, klappt das Visier herunter und wirft die Säge an. Der Motor heult auf. Uhlig legt die Finger um den Griff, schaut auf die Kette und dann in den Wald hinein, dorthin, wo sein Baumstamm fallen soll.

Der Azubi kniet sich auf den nassen Waldboden und setzt schräg die Säge an. Die Kette rasselt, Späne fliegen und kurz darauf liegt ein Keil neben ihm. „Der Fallkerb“, sagt Uhlig und weist auf den entstandenen Spalt im Stamm. Robert Uhlig gehört zur Gruppe der Lehrlinge, Waldarbeiter und Förster des Forstbezirks Bärenfels, die vergangene Woche zur alljährlichen Arbeitsschutzschulung im Lehrobjekt Hetzdorf im Tharandter Wald antreten musste. „Denn die Tätigkeit der Waldarbeiter ist einer der gefährlichsten Berufe, die ich kenne“, begründet Forstbezirks-Chef Wolfram Gläser.

Schreckliche Unfälle habe es gegeben, auch in seinem Bezirk. 2013 dagegen war laut Statistik im Vergleich zu anderen Forstbezirken ein ruhiges Jahr, auch 2014 kann sich sehen lassen. „Sechs Unfälle hatten wir bisher, aber alles Bagatellen.“ Mal ein vertretener Fuß oder ein verrenktes Knie. Einer schnitt sich mit dem Messer ins Bein. Wolfram Gläser hofft, dass es dabei bleibt. Verletzte kann er am wenigsten gebrauchen. Denn seine Waldarbeiter sind in der Regel älteres Semester. „Wir haben sehr erfahrene Leute, die meisten sind weit über 20 Jahre im Beruf. Aber auch da schleichen sich Fehler oder Ungenauigkeiten ein.“ Der Arbeitsschutztag soll dazu dienen, die Vorschriften aufzufrischen und Erfahrungen auszutauschen, aber auch, um neue Techniken kennenzulernen.

Technik ist genau das Wort, mit dem viele Laien heutzutage die Waldarbeit verbinden. Man denkt an Motorsägen, vor allem aber an schwere Holztransporte und Maschinen, die vollautomatisch ganze Waldflächen abernten können. „Die Harvester“, sagt Gläser und nickt. Klar, die können einen Baum greifen, abschneiden, entasten, sägen, abstapeln – alles in null Komma nix und so gut wie unfallfrei. Allerdings kann man die Harvester mit ihren zirka zehn Metern Reichweite nur in 75 Prozent aller Fälle einsetzen. Wo aber steile Hanglagen sind oder empfindliche Waldböden samt jungem Bewuchs nicht von schwerem Gerät zerquetscht werden sollen, müssen Gläsers Waldarbeiter ran.

53 Männer sind das zwischen Freital und Zinnwald, dazu kommen 15 Lehrlinge. Sie haben es mit einem teilweise schwer zugänglichen Gelände zu tun und mit Bedingungen, die sich permanent ändern. Selbst Azubi Uhlig, im dritten Lehrjahr, kann da schon mitreden. „Fichten fällen sich ganz anders als Buchen, junge Bäume reagieren anders als alte, auch die Jahreszeit und Temperaturen spielen eine wichtige Rolle, ebenso die Form der Krone“, berichtet der Lehrling.

Wie und wohin ein Baum am Ende fällt, das ist das Kernproblem beim Fällen. Zahlreiche technische Hilfsmittel haben Förster und Waldarbeiter: Motorsägen, diverse Keile, Seilwinden, Schlepper. Dies alles wurde gestern in dem riesigen Hetzdorfer Gelände nochmals vorgestellt, erläutert, getestet. Beim Zielfällen mussten sie beweisen, dass sie einen Baumstamm exakt in den vorher festgelegten Korridor fallen lassen können. Als Fixierpunkt diente ein in den Waldboden geschlagener farbig markierter Pfosten, per lasergestütztem Messgerät kann er angepeilt werden. Allerdings sind Förster und Waldarbeiter auch Naturfreunde – Bäume mussten gestern nicht daran glauben. Vorgeführt und geübt wurde an kleinen geschnittenen Baumstämmen.

Das ganze Jahr über wird gefällt

Was in einer Übung noch recht leicht aussieht, ist in der Natur verdammt schwer, erklärt der Forstamts-Chef. „Ein Teil der Bäume fällt eben nicht exakt so, wie der Waldarbeiter es eigentlich will“, gibt Wolfram Gläser zu. Zwar könnten die Waldarbeiter Bäume sogar noch im letzten Moment drehen – ein Unsicherheitsfaktor bleibt jedoch. Gläser: „Es gibt äußerst komplizierte Fällarbeiten.“ Da sei es nur gut, wenn jeder firm sei in den verschiedenen Fälltechniken und umgehen könne mit den Hilfsmitteln.

Für die Forstarbeiten gibt es übrigens keine Schonzeit. Weil die holzverarbeitende Industrie das ganze Jahr über kontinuierlich versorgt werden will, wird auch das ganze Jahr über Holz gemacht und nicht mehr nur im Winter, wie früher üblich. Einziges Zugeständnis: Laubbäume werden nur in der vegetationslosen Zeit gefällt, also zwischen Ende Oktober und Ende März.